Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
als würde mir der finanzielle Aspekt zum ersten Mal durch den Kopf gehen. »Je nachdem, wie schwierig es ist, jemanden ausfindig zu machen, und welche Fragen ich ihm stellen soll.«
»Tja, ich glaube, es gibt viele Leute, mit denen du reden könntest. Hast du wirklich keinen Kontakt zu Runner? Runner steht nämlich bei fast allen ganz oben auf der Liste.«
Tja, Runner, dieser bekloppte Kerl. In den letzten drei Jahren hatte er mich ein einziges Mal angerufen, irres Zeug ins Telefon gelabert, geheult und geschluchzt und mich angebettelt, ihm Geld zu schicken. Seither hatte ich nichts mehr von ihm gehört. Vorher auch kaum. Bei Bens Prozess war er gelegentlich aufgetaucht, manchmal mit Jackett und einer alten Krawatte, aber meistens in den gleichen Klamotten, in denen er offensichtlich auch schlief, so besoffen, dass er nicht geradeaus gehen konnte. Schließlich bat ihn die Verteidigung, nicht mehr zu kommen. Weil das einen schlechten Eindruck machte.
Jetzt, wo alle im Kill Club glaubten, dass er der Mörder war, sah es allerdings noch wesentlich schlechter für ihn aus. Vor den Morden hatte er, soweit ich wusste, schon dreimal im Knast gesessen, wegen irgendwelcher Lappalien. Aber er hatte immer Spielschulden – Runner wettete auf alles –, Sport, Hunderennen, Bingo, das Wetter. Und er schuldete meiner Mom Unterhalt für die Kinder. Uns umzubringen wäre für ihn zweifellos eine Möglichkeit gewesen, dieser Verpflichtung nicht mehr nachkommen zu müssen.
Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass Runner so eine Geschichte durchzog. Er war dafür einfach nicht schlau genug und besaß auch definitiv nicht den nötigen Ehrgeiz. Er konnte ja nicht mal für sein jüngstes Kind den Vater spielen. Nach den Morden hatte er sich noch ein paar Jahre in Kinnakee rumgetrieben, war aber zwischendurch monatelang verschwunden und schickte mir dann dick mit Klebeband zugeklebte Päckchen aus Idaho oder Alabama oder aus Winner, South Dakota. Darin befanden sich billige Nippesfiguren, kleine Mädchen mit großen Augen und Regenschirmen oder Kätzchen, die beim Auspacken immer schon kaputt waren. Wenn er wieder in der Stadt war, erfuhr ich davon nicht etwa deshalb, weil er mich besuchte, sondern weil wieder das stinkende Feuer in der Hütte auf dem Hügel brannte und Rauch aus dem Schornstein quoll. Diane sang »Poor Judd is Dead«, wenn sie ihn mit rußverschmiertem Gesicht in der Stadt entdeckte. Runner hatte gleichzeitig etwas Mitleiderregendes und Beängstigendes an sich.
Wahrscheinlich war es sogar ein Segen, dass er mich mied. Als er in dem letzten Sommer vor den Morden bei meiner Mom und uns Kids wohnte, hatte er mich ständig geärgert und geneckt. Zuerst waren es nur Spielchen im Stil von
ich hab dir deine Nase abgezwackt
, aber irgendwann wurde er richtig fies. Als er eines Tages vom Angeln nach Hause kam, marschierte er auf seinen großen nassen Wasserstiefeln, nur um mir einen gemeinen Streich zu spielen, geradewegs zum Bad, wo ich gerade in der Wanne saß, und hämmerte gegen die Tür.
Na los, mach auf, ich hab eine Überraschung für dich!
Schließlich kam er einfach herein, umgeben von einer Wolke Biergestank, und ich sah, dass er etwas auf dem Arm trug. Aber ehe ich mich in Sicherheit bringen konnte, schleuderte er einen lebendigen, gut sechzig Zentimeter langen Catfish zu mir in die Wanne. Am meisten Angst machte mir die Sinnlosigkeit solcher Aktionen. So schnell ich konnte, versuchte ich, aus der Wanne zu klettern, aber die schleimigen Schuppen des Fischs streiften meine Haut, und er glotzte mich an, das schnurrbärtige, prähistorische Maul weit aufgerissen. Ich hätte einen Fuß in diesen Mund stecken können, und der Fisch wäre einfach über meine Wade nach oben gerutscht, stramm wie ein Stiefel.
Ich warf mich seitlich über den Wannenrand und blieb keuchend auf der Matte sitzen, während Runner mich anbrüllte, ich sollte mit meinem verdammten Babygeschrei aufhören.
Meine Kinder sind alle blöde Schisser, eins wie das andere.
Drei Tage lang konnten wir nicht in die Wanne, weil Runner zu müde war, um den Fisch zu schlachten. Vermutlich habe ich meine Faulheit von ihm geerbt.
»Runner informiert mich nie darüber, wo er gerade ist. Als ich das letzte Mal was von ihm gehört habe, war er irgendwo in Arkansas. Aber das ist inzwischen auch schon wieder ein Jahr her. Mindestens.«
»Na ja, dann wäre es sicher eine gute Idee, ihn aufzuspüren. Es gibt garantiert einige Leute, die es gut fänden, wenn du
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