Dark Road
dem Dach das Hauses errichtet hatten.
Dort ging er einen langen Kanal entlang, der mit türkisfarbenen und jadegrünen Mosaiken ausgelegt war. Kleine Fliegende Fische sprangen, einen Tropfenregen hinter sich herziehend, in die Luft und verschwanden dann wieder unter der Oberfläche. Er setzte sich auf eine Bank im Schatten einer Laube aus verflochtenen Zweigen. Ein steinernes Kind kniete am Rand einer Schale voller Wasserlilien.
Dies war Anselms persönlicher Rückzugsort. Noch nicht einmal Golightly traute sich, ihn hier zu stören. Und mittlerweile war es der einzige Ort in ganz Rockscar, wo noch Brunnenfontänen zu sehen waren. Überall sonst, inklusive der Krankenhäuser, wurde Wasser rationiert.
Anselm lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er hatte Ernesto für Mittag hierher bestellt. Nach einem willkommenen Moment der Ruhe hörte er die Schritte seines Neffen näher kommen. Er hatte den gleichen unregelmäßigen, irritierenden Gang wie sein toter Vater.
Anselm biss die Zähne aufeinander. Berührte den Glücksbringer, den er in der Tasche trug. Die Schuld eines Mörders.
»Guten Tag, Onkel«, sagte Ernesto.
»Ich nehme an, du weißt, was ich dir zu sagen habe«, sagte Anselm. »Seit sechs Wochen hat es nicht geregnet. Jeder unserer Versuche, am Rand der Wildnis frische Quellen zu finden, wurde vereitelt. Dir ist wohl bekannt, dass wir mittlerweile für jedermann das Wasser rationieren ...«
»Außer für uns selbst«, sagte Ernesto.
»Zwei Reservoirs sind mittlerweile ausgetrocknet. Das ist noch nie geschehen. Die Pumpe in Candlemas hat Anfang der Woche aufgehört zu arbeiten.«
»Es heißt, sie sei verunreinigt«, sagte Ernesto ruhig.
»SEI STILL! Ich habe dir die Aufgabe übertragen, diesen Troll zu finden und zu fangen. Du hast nichts getan!«
Ernesto war einen Schritt zurückgewichen — außer Reichweite. Er wusste, dass Anselm, wenn er wütend wurde, schnell wie ein Habicht war.
»Du bist deinem Vater sehr ähnlich, Ernesto, das wusstest du nicht, oder? Wir haben die Öffentlichkeit im Glauben gelassen, dass Zoran ein furchtloser, Löwen jagender Krieger war, aber er war das genaue Gegenteil. Er war sein ganzes Leben lang niemals jagen, sondern mochte Bücher und Geschichte. Er war zu dem Schluss gekommen, dass Trolle existierten, aber er versteifte sich auf die dumme und gefährliche Idee, zu versuchen, sich mit ihnen anzufreunden. Tatsächlich glaubte er wohl, dass er sich mit einem angefreundet hatte. Das hat ihn in der Nacht auf der Wolf Road das Leben gekostet.« Anselm hielt inne. »Seine eigene Dummheit.«
Ernesto stand in der sengenden Sonne. Seine dunkle, feine Kleidung tat in der Hitze ihr Übriges.
»Du hast noch eine Woche«, sagte Anselm. »Danach wird - wer weiß das schon - Steward Golightly deinen heiß geliebten Fischer vielleicht in den Cat’s Tail fallen lassen, gemütlich eingepackt in einem kleinen Sack voller Steine.«
Ernesto erschauderte. Doch seine Stimme war fest.
»Ich habe meine Vorbereitungen abgeschlossen«, sagte er. »Ich habe die lebenden Nachkommen der alten Familie der Trolljäger ausfindig gemacht.«
»Trolljäger!« Anselm wäre fast von seiner Bank gefallen. »Aber von diesen Leuten habe ich noch nie etwas gehört!«
»Unsere Vorfahren hatten sie als Hausangestellte beschäftigt. Trolljäger konnten die Spuren von Trollen noch Tage nach ihrer Sichtung verfolgen. Sie wussten, wie man sie in Schach hält. Sie wussten, wo man sich sicher bewegen konnte und welche Orte man besser mied. Es gibt Berichte, wie sie mit Trollen verhandelten und sie überzeugten, keinen Schaden anzurichten. Sie empfahlen die richtigen Schutzengel und Zauber.«
Anselm fixierte mit seinem Blick Ernestos Gesicht. »Du hast über diese Jäger in ... in Büchern gelesen ...?«
»In Büchern und Aufzeichnungen«, sagte Ernesto. »Und Familienchroniken. Hier in unserer Bibliothek. Es gab außerdem eine Reihe von Tagebüchern, die in einer Geheimschrift verfasst waren, und ich habe sie entschlüsselt.«
»Tagebücher?« Anselm wurde blass.
»Ja, Onkel Anselm«, sagte Ernesto mit ruhiger Stimme. »Tagebücher. Archibald Scarspring führte mehrere Jahre lang eines. Und da waren noch andere.«
»Jemand, den ich kannte? Etwas aktueller?«
»Ein paar Seiten, die wahrscheinlich von meinem Vater stammen, auf denen er beschreibt, wie meine Mutter nach meiner Geburt krank wurde. In seinem letzten Eintrag schrieb er, dass sich ein neuer Freund um sie kümmert und dass er sie
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