Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
Außergewöhnliches passiert, rufen Sie mich bitte an.«
»Ganz bestimmt«, versprach Nick.
Als sie das Polizeirevier verließen, senkte sich bereits die Nacht über die Stadt. »Ich lade dich zu einem Kaffee ein«, bot Nick an, als sie an einem Fußgängerüberweg warteten, vor dem sich die Menschen drängten. Feierabendverkehr verstopfte die Straßen. Die Luft roch nach Autoabgasen und Regen.
Ein kalter Wind fegte durch die Straßen, blähte Marlas Regenmantel und blies ihr die kurzen Locken aus dem Gesicht. Nick hatte sie am Ellenbogen gefasst, sein Angebot hing in der Winterluft.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Marla, obwohl sie sich wünschte, noch länger mit ihm zusammen zu sein, allein mit ihm, um sich über ihre Gefühle klarwerden zu können.
»Nur auf einen Kaffee.«
Die Ampel schaltete auf Grün. In einem Pulk von Fußgängern überquerten sie die Straße. »Es wäre besser, wenn ich vor dem Abendessen nach Hause käme. Ich habe Cissy seit heute Morgen nicht gesehen und den Kleinen seit heute Mittag nicht mehr.« Sie sah mit einem schiefen Lächeln zu Nick auf. »Ich bin Mutter, weißt du, das ist mit gewissen Verpflichtungen verbunden.«
»Dann holen wir uns einen Kaffee zum Mitnehmen«, schlug er vor. Sie fuhren mit dem Lift zur dritten Ebene des Parkhauses hinauf. Auf dem Weg zum Pick-up hielten sie Abstand voneinander. Marlas Kiefer schmerzte, und in ihrem Kopf kreisten tausend bohrende Fragen, von denen sie keine einzige beantworten konnte. Wer war sie? Warum hielt ihr Vater sie für jemand anderen? Warum erinnerte sie sich nicht? War da tatsächlich jemand, der ihren Tod wollte?
Warum fühlte sie sich so gefährlich zu einem anderen Mann hingezogen, obwohl sie doch verheiratet war?
Im Wagen lehnte sie sich auf dem Sitz zurück und schloss die Augen. Der Lärm der Stadt – das Dröhnen von Motoren, das Sirren von Reifen, das Geräusch von Autohupen – trat in den Hintergrund, als Nick das Radio einschaltete und Countrymusic ertönte. Was dachte sie sich dabei, auch nur einen Kaffee mit Nick zu trinken? Das steuerte doch geradewegs auf die Katastrophe zu. Sie brauchte nur an die vergangene Nacht zu denken und sich zu erinnern, wie leicht es war, der Versuchung zum Opfer zu fallen. Noch jetzt stockte ihr der Atem, wenn sie daran dachte, wie seine Hand den Seidenstoff hochgeschoben hatte und darunterglitt, um ihre Haut zu streicheln.
Wäre es denn eine Sünde?
Ihre Ehe war eine Farce. Sie schlief nicht einmal mit ihrem Mann.
Warum nicht einfach ausbrechen, die Frau entdecken, die sich – das spürte sie – in Marlas Cahills Leben verbarg, in ihrem Haus, unter ihrer Haut?
Sie öffnete die Lider einen Spalt und beobachtete Nick aus den Augenwinkeln. Herb. Männlich. Züge wie in Stein gemeißelt. Sehnen und Muskeln. Geballte Kraft und ein scharfer Verstand. Marla biss sich auf die Unterlippe. Als ob Nick ahnte, welche Richtung ihre Gedanken nahmen, warf er ihr einen Blick zu, der ihr durch und durch ging. Seine blauen Augen hielten ihren Blick einen Herzschlag lang fest. Er spürte es ebenfalls. Hier in der engen Fahrerkabine des Pick-ups, mitten in der pulsierenden Stadt, in intimer Dunkelheit, die nur vom Scheinwerferlicht entgegenkommender Fahrzeuge durchbrochen wurde, spürte Nick die Glut. Das Begehren.
In diesem Sekundenbruchteil reagierte sie unvermittelt, die Glut wurde zu Flammen entfacht, heiß wie der Atem Satans und weitaus gefährlicher.
Lass es, ermahnte sie sich selbst und klammerte sich an den Griff der Beifahrertür. Du hast im Augenblick genug andere Sorgen – womöglich versucht jemand, dich umzubringen. Du weißt nicht einmal richtig, wer du bist. Ein Kuss von Nick würde mehr nach sich ziehen. Berührungen. Liebkosungen. Heiße Haut an heißer Haut. Wie gestern Nacht, als die Situation beinahe entgleist wäre. Du würdest den größten Fehler deines Lebens begehen und könntest alles verlieren: deinen Mann, deine Kinder, dein Zuhause, deine Selbstachtung.
Marla schloss die Augen und kämpfte die unerwünschten Gefühle nieder.
»Keine Angst«, sagte Nick und verlangsamte die Fahrt. Als Marla die Augen aufschlug, erkannte sie, dass er einen Parkplatz suchte. »Bei mir bist du in Sicherheit.«
O ja, bestimmt. So sicher wie mit einem brennenden Streichholz in einer Benzinpfütze!
Die Vorstellung entlockte ihr ein Lächeln. »Aber vielleicht bist du bei mir nicht in Sicherheit, lieber Schwager.«
»So viel steht fest, Lady.« Er parkte in der Hafengegend,
Weitere Kostenlose Bücher