Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
verfallen.
Und trotzdem – ich hatte die beiden Jobs kaum hinter mich gebracht, da musste ich auch schon wieder rüber in die Anderswelt. Wenn auch nur für eine kurze Stippvisite. Ich wollte einfach sehen, welche Fortschritte Shaya machte, und in Erfahrung bringen, ob die Ausreißerin wieder aufgetaucht war. Wenn ich sie befragen konnte, vereinfachte das diese ganze Such- und Rettungsaktion enorm, und dann hatte ich auch wieder Zeit für mein Leben als Mensch.
Bloß gab es keine guten Neuigkeiten.
»Sie ist spurlos verschwunden«, sagte Rurik, als ich ihn endlich im Schloss aufgestöbert hatte, in einer kompromittierenden Situation mit einer Köchin übrigens. »Wir lassen die ganze Gegend durchkämmen, bisher erfolglos. Aber wir wissen jetzt, wo die Räuberbande abgeblieben ist. Sollen wir sie uns noch mal vorknöpfen?«
Ich überlegte. Ich wollte sie schon ausheben – einmal, um den Druck von den Dörfern zu nehmen, und zum anderen, um in Erfahrung zu bringen, ob die Räuber mehr über die Mädchen wussten als unsere Gefangenen. Am Ende schüttelte ich den Kopf. Wenn sie immer noch Feuerdämonen herbeirufen konnten, setzten wir ihnen besser erst nach, wenn wir eine überwältigende Streitmacht aufbieten konnten.
»Nein. Vorläufig nicht. Sucht einfach weiter nach der Ausreißerin.« Ich warf einen betonten Blick zu der Küche hinüber, in der die Frau verschwunden war, der er gerade unter den Rock gefasst hatte. »Also, falls es nicht zu viele Umstände macht.«
Wenigstens Shaya hatte gute Neuigkeiten. Dorians Lebensmittel waren verteilt worden, und Leith hatte sich bei ihr gemeldet und ließ ausrichten, dass er nach der Lektüre des Buchs über Bewässerung ein paar Vorschläge für uns hatte. Natürlich wollte er sich wieder mit mir treffen. Ich unterstellte ihm Hintergedanken, aber damit setzte ich mich gern auseinander, wenn dadurch nur die Versorgungslage besser wurde. Zumindest hatte ich den Eindruck, dass Leiths’ Absichten leichter zu durchschauen waren als Dorians – und dass ich deutlich weniger Gefahr lief, der damit verbundenen Versuchung zu erliegen. Ich schickte dem jungen Prinzen Nachricht, dass ich mich gern mit ihm treffen würde. Spontan ließ ich auch noch fragen, ob er jemanden zur Hand hatte, der Wasserdämonen herbeirufen konnte. Kaum war das erledigt, wollte ich mich wieder auf den Weg nach Tucson machen.
»Und? Wann bringen wir es endlich mal hinter uns?«
Ich fuhr überrascht herum. Ysabel stand im Flur und stemmte die Hände in die Hüfte. Ich war gerade auf dem Weg in den Hof, um mich vor der Heimkehr noch kurz mit dem Land zu verbinden. Es herrschte glühende Hitze, wie immer, und die meisten Frauen hier trugen leichte, luftige Gewänder mit kurzen oder gar keinen Ärmeln – sie ähnelten sehr dem Kleid, dass ich auf Maiwenns Fest angehabt hatte. Ysabel hatte keine solchen Zugeständnisse gemacht, sondern stand in einem grünen Samtkleid mit langen Glockenärmeln vor mir. Die Farbe des Kleides harmonisierte fantastisch mit ihren roten Haaren, aber sie musste echt eingehen vor Hitze.
»Bringen wir was hinter uns?«
Sie rang verzweifelt die Hände. »Diese … Übungsstunden. Oder weswegen auch immer mein Herr mich sonst hergeschickt hat.«
Ach ja. Ich hatte Ysabel nicht gerade vergessen. Sondern eher so getan, als ob sie nicht da wäre, in der kläglichen (und vergeblichen) Hoffnung, dass sie sich dann einfach in Luft auflöste. Tja, von wegen.
»Tut mir leid«, sagte ich und sah sie ebenso kalt an. »Ich habe jetzt wirklich keine Zeit.«
»Ihr habt es Dorian versprochen. Und solange Ihr es nicht wahr macht, sitze ich an diesem gottverlassenen Ort fest. Ich will wieder nach Hause.«
Ich zuckte mit den Achseln und wandte mich ab. »Nur leben wir nicht in einer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat. Ich jedenfalls definitiv nicht.«
Ich hatte kaum einen Schritt gemacht, da traf mich ein gewaltiger Windstoß in den Rücken, peitschte meine Haare nach vorn und ließ die Wandteppiche flattern. Ich fuhr herum. Ysabel machte ein ebenso selbstgefälliges wie feindseliges Gesicht.
»Was ist denn los? Habt Ihr Angst, dass Ihr nicht mithalten könnt?«
Bezaubernd. Die uralte Ködertaktik. Sie baute darauf, ihren Willen zu kriegen, indem sie an meinen Stolz appellierte. Das war so ungefähr der lahmste Trick, den man anwenden konnte – bloß dass er schon irgendwie funktionierte. Na gut, es ging nicht nur um meinen Stolz. Ich erlag auch der Versuchung. Ysabel hatte mich
Weitere Kostenlose Bücher