Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
herum. »Versuchst du, mich in seine Arme zu stoßen oder nur mich von dir wegzuschieben?«
»Witzigerweise führt das eine zum anderen.« Er streckte sich und unterdrückte ein Gähnen. »Hast du das ernst gemeint? Dass du aufbrechen möchtest?«
»Ja, denke schon –«
»Eure Majestät?«
Davros steckte den Kopf ins Zimmer und setzte sein übliches bedauerndes Gesicht auf. Sein Blick huschte nervös von Dorian zu mir. »Bitte entschuldigt die Störung … ich weiß, Ihr habt viel zu tun und –«
»Was ist denn los?«
»Sie ist gefunden worden, Eure Majestät. Das vermisste Mädchen. Ihre Eltern haben sie letzte Nacht ausfindig gemacht, aber sie hatten Angst, es Euch zu sagen … sie war so außer sich. Ich habe es selbst gerade erst erfahren. Ich habe ihnen gesagt, dass Ihr gewiss mit ihr –«
»Ja, natürlich.« Ich war schon auf dem Weg zur Tür, und Dorian beeilte sich, mir zu folgen. »Wo sind sie?«
Davros führte uns unter vielen Bücklingen hastig zu einem Häuschen am anderen Ende des Dorfes. Er klopfte ungeduldig an die Tür. »Aufmachen! Die Königin ist hier.«
Es verging beinahe eine Minute, bevor sich die Tür öffnete. Die Frau, die mich bei meinem ersten Besuch angesprochen hatte, sah mit großen Augen heraus. »Eure Majestät«, sagte sie kleinlaut. Sie schien Dorian nicht zu erkennen. »Wir … wir wussten gar nicht, dass Ihr hier seid.«
»Ich will sie sehen. Lasst mich mit ihr reden.«
Die Frau zögerte, sie hatte gleichzeitig Angst vor mir und offensichtlich noch vor etwas anderem. Davros ließ sich davon nicht beirren. »Das ist die Dornenkönigin! Lass sie eintreten.«
Die Frau schluckte vernehmlich und trat beiseite. Ich fand mich in einem einfachen, aber sauberen Bauernhaus wieder, in dem wenig Licht war, weil sämtliche Vorhänge zugezogen waren; allerdings standen die Fenster offen und gestatteten Durchzug. Ihr Mann trat zu uns, als wir die Küche durchquerten, das Gesicht bleich und voller Angst.
»Eure Majestät … bitte verzeiht. Wir hatten Angst, es Euch zu sagen. Wir hatten Angst, sie würde wieder weglaufen.«
»Ich werde ihr nichts tun. Ich möchte nur mit ihr reden.« Es war schon ein bisschen deprimierend, dass hier so viele Leute Angst vor mir hatten. Ironischerweise war ich einmal stolz auf die Furcht gewesen, die ich in den Bewohnern der Anderswelt erzeugen konnte – aber da hatte ich auch noch nicht gewusst, dass auch ich Feinenwurzeln hatte. »Bitte bringt mich zu ihr.«
Ich spürte Dorians Hand auf meiner Schulter und seinen warmen Atem an meinem Ohr, als er flüsterte: »Du brauchst nicht bitte zu sagen.«
Nach einem kurzen Blickwechsel führte uns das Ehepaar zur Rückseite des Hauses und in ein winziges Zimmer. Auch dort war es dunkel, und ich konnte auf einem Bett ein schmales Mädchen ausmachen. Sie hatte einen Waschlappen auf der Stirn liegen, der herunterfiel, als sie sich bei unserem Näherkommen aufsetzte. Sie wich an die Wand zurück.
»Wer ist das? Ich hab euch doch gesagt, dass ich niemanden sehen will …«
»Ist schon gut, Moria«, sagte ihre Mutter. »Das ist die Königin. Sie ist gekommen, um mit dir zu reden. Sie wird dir nichts tun.«
Das Mädchen machte sich ganz klein, und ihr fielen die blonden Haare vors Gesicht. »Nein, nein … Sie ist zusammen mit den anderen gekommen, mit ihrem Menschenblut, um uns zu binden und zu töten und …«
»Moria«, sagte ich sanft und streckte die Hände vor, wie man es unter einer weißen Friedensfahne tun würde. »Sie hat recht. Ich will dir nichts tun. Ich möchte nur mit dir reden. Es wird nicht lange dauern.«
»Das sagen sie alle.« Morias große Augen waren voller Tränen. »Alle sagen sie, dass sie einem nichts tun wollen … alle Menschen … Ihr seid auch nicht anders … alle sagen sie, dass sie …« Sie verfiel in ein Brabbeln, das zu leise war, um es zu verstehen, und krallte die Hände in die Bettdecke.
»Ich glaube«, flüsterte Dorian mir zu, »ihre Erfahrung hat sie … hm, etwas mitgenommen. Ich bezweifle, dass du etwas Sinnvolles aus ihr herausbekommst. An Maiwenns Hof gibt es eine Heilerin, die sich besonders gut auf Krankheiten des Geistes versteht. Du solltest nach ihr schicken lassen.«
Ich hatte den Eindruck, dass er recht hatte, musste es aber noch einmal probieren. »Ich möchte nur wissen, wo du gewesen bist. Wer dich verschleppt hat. Ich will dafür sorgen, dass es nicht noch mal passiert. Sag mir, wer es war, und ich setze dem ein Ende.«
»Nein«, hauchte sie.
Weitere Kostenlose Bücher