Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
meinerseits, und das wusste er. Ich brauchte vor Dorian keine Angst zu haben. Ich war nicht länger auf ihn angewiesen.
„Sehr wohl“, sagte Shaya gehorsam, aber mir war klar, dass sie vor diesem Brief zurückscheute. Sie war Dorian immer noch treu ergeben, und ich zwang sie dazu, ihre Loyalitäten aufzuteilen. „Dennoch brauchen wir jemanden, der sich um das Vogelbeerland kümmert… Es sei denn, Ihr wollt das persönlich übernehmen.“
„Nein“, sagte ich ebenso rasch wie überflüssigerweise. Sie wusste längst, dass ich keinerlei Interesse daran hatte. „Schwebt dir schon jemand vor?“
„Ja… ich.“
Es überraschte mich eigentlich nicht, dass sie sich meldete. Aber ich war überrascht, wie wenig besorgt sie wegen dieser Aufgabe wirkte. Vielleicht gefiel ihr die Herausforderung.
„Ist mir absolut recht. Zum Teufel, nach dem, was du hier getan hast, weiß ich, dass du das Vogelbeerland schon hinkriegst. Aber… wer soll sich dann hier um alles kümmern?“
„Ich dachte, Nia vielleicht.“
„Nia?“, fragte ich entsetzt. „Mein Frisiermädchen?“
Shaya grinste schief. „Was glaubt Ihr, was sie hier den ganzen Tag tut, wenn Ihr nicht da seid? Sie hilft mir und lernt… Ich glaube, sie könnte das sehr gut. Helfer gäbe es auch, und sie könnte mich natürlich jederzeit zurate ziehen.“
Es war trotzdem eine verblüffende Vorstellung, aber Shaya schien überzeugt. Außerdem lief es im Dornenland inzwischen ja eigentlich wie geschmiert.
„Na schön“, sagte ich schließlich. „Dann macht das so. Wann möchtest du wechseln?“
„Heute. Ich begleite Euch. Meine Sachen sind gepackt.“
Ich musste lachen. „Du hast gewusst, dass ich zustimmen würde. Und dass ich Dorian zurückweisen würde.“
Shaya setzte ihre bravste Miene auf, aber ihre Augen blitzten. „Jawohl, Eure Majestät.“
Ich spazierte durchs Dornenland, bevor ich aufbrach– lange genug, um dem Land zu versichern, dass ich da war, und die Moral der Soldaten zu stärken, die meine Festung bewachten. Nicht dass sie das brauchten. Wir hatten gesiegt, und sie sonnten sich noch immer darin. Ich trug bereits meine goldene Krone für die Reise ins Vogelbeerland, und meine Männer betrachteten mich voller Bewunderung, ließen ihre tapfere, allmächtige Königin hochleben. Was würden sie machen, wenn sie Bescheid wüssten? , fragte ich mich. Wenn sie wüssten, dass ich mit einem potenziellen Kriegsherrn schwanger gehe? Irgendwie war es kein großes Rätsel. Sie würden noch mehr jubeln. Sie würden mich feiern und sich an der Aussicht erfreuen, unsere Herrschaft auszudehnen.
Jetzt freute ich mich schon richtig darauf, ins Vogelbeerland zu gehen, wo ich nicht bewundert wurde, sondern gefürchtet. Wobei ich natürlich nicht wusste, ob das besser war. Wenn die Leute dort erfuhren, dass ich mit dem Enkelkind des Sturmkönigs schwanger war, würde das ihre Angst schlichtweg verstärken und sie mehr denn je davon überzeugen, dass sie unter der Herrschaft einer Despotin standen. Kiyo hatte recht, wurde mir klar. Niemand in der Anderswelt durfte von meiner Schwangerschaft erfahren. Es würde heftige Konsequenzen zur Folge haben. Je schneller ich wieder verschwinden konnte, desto besser.
Den Großteil der Wache von Katrice’ ehemaligem Schloss bildeten immer noch entsandte Soldaten aus dem Dornenland, und ihre Mienen spiegelten die Gefühle ihrer Kameraden zu Hause wider. Ich spielte meine Rolle, spazierte mit einem zuversichtlichen Lächeln zwischen ihnen umher und wagte nicht, die Angst und Unsicherheit zu zeigen, die ich empfand. Wie im Dornenland summte und brummte die Energie des Vogelbeerlands um mich herum. Natürlich spürte nur ich das, aber als ich einmal stehen blieb und für einige Minuten mit einem Wachsoldaten redete, sah ich eine kleine Blume wachsen, wo ich gestanden hatte. Es fiel niemandem auf, und ich betrat hastig das Schlossgebäude. Aus Steinmauern konnte ja wohl nichts sprießen.
Rurik begrüßte uns fröhlich, da er schon von Shayas neuer Position wusste. Als wir uns alle zusammenfanden, sah ich etwas zwischen den beiden aufblitzen; etwas, das mich überraschte. Zuneigung. Mehr als freundschaftliche Zuneigung. In diesem Moment fiel mir auch ein Armband auf, das Shaya trug, gefertigt aus Smaragden und Perlen. Ich hatte es schon einmal gesehen. Girard hatte bei meiner ersten Begegnung mit Imanuelle daran gearbeitet. Ich passte auf, dass mir nicht der Mund offen stehen blieb, als mich die Erkenntnis traf. Shaya
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