Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
Was hier drinnen auch für eine verrückte, mächtige Magie in Sachen Bewährungsprobe am Wirken war, sie hatte ihn verschont. Aber wenn sie das nicht getan hätte…
„Im Ernst“, sagte Kiyo, der immer noch nicht begriff, was mich erschütterte. „Mir geht’s bestens. Bin bloß ein bisschen zu sehr durchgeschüttelt worden. Jetzt geh dir die Krone holen. Er hat gesagt, dass sie dir gehört.“ Ich entzog mich ihm und sah ihm in die Augen; Augen, die voller Zuneigung und Stolz waren. Ich verdiente diesen Blick nicht, aber wir brauchten die Krone, und wir mussten zusehen, dass wir hier wegkamen.
Ich stand unsicher auf und ging zu dem Sockel. Die Krone lag dort bedrohlich, und ich sah zu dem Alten hinüber. Er nickte aufmunternd. Wenn Ihr sie zu tragen vermögt. Also gab es wohl noch eine Bewährungsprobe mehr– eine, die ich vielleicht nicht bestand. Als meine Fingerspitzen die Krone berührten, spürte ich gar nichts, bloß kaltes Metall. Ich hob sie vorsichtig an und hatte fast Angst dabei. Sie war schwer– viel schwerer als meine Staatskrone oder die Schmuckvarianten. Aber sie passte wie angegossen, was befremdlich war. Bei ihrem ersten Anblick war ich überwältigt von ihrer Größe gewesen. War ich mir sicher gewesen, dass sie einfach runterrutschen würde.
Der Alte strahlte und verneigte sich erneut. „Und nun ist sie Euer. Ihre Kräfte sind Euer. Ihr könnt Heere erzittern lassen. Ihr könnt Länder an Euch reißen und sie unterwerfen. Die Welt kann Euer sein.“
In der Hoffnung, dass ich mich hinreichend bewiesen hatte, nahm ich die Krone wieder ab. „Ich möchte nur einen Krieg damit beenden.“
Kiyo stand unsicher auf. „Was meint Ihr damit, dass sie Länder an sich reißen kann?“
Der Alte breitete die Arme aus. „Diese Macht verleiht die Krone.“
„Die Krone verleiht keine Macht.“ Ich runzelte die Stirn. „Sie ist ein Preis, sie beweist, dass man das Ganze hier durchgestanden hat.“
„Ein Preis?“ Der Alte zog die Augenbrauen hoch und lachte dröhnend. „Meint Ihr denn, all das galt nur einem Preis? Irgendeinem Stück Tand?“
Kiyo und ich wechselten einen nervösen Blick. „Und was macht sie dann?“, fragte ich.
„Die Eisenkrone versetzt Euch in die Lage, das Band zwischen einem Reich und seinem Monarchen zu durchtrennen und es so zu befreien. Wenn Ihr die Kraft habt, könnt Ihr es dann für Euch beanspruchen.“ Der Alte zog die Schultern hoch. „Mit genügend Kraft könnt Ihr gar die halbe Welt beherrschen.“
KAPITEL 12
Wir waren sprachlos.
„Das ist unmöglich“, sagte Kiyo schließlich. „Außer Ihr wollt damit sagen, dass sie diese ganzen Herrscher töten soll?“
„Nicht nötig“, erwiderte der Alte.
„Sogar ich weiß, wie das läuft“, hielt ich dagegen. „Es gibt nur einen Weg, ein Land für sich zu beanspruchen, und dazu muss sein derzeitiger Herrscher sterben oder zu schwach sein, um es behalten zu können. Ansonsten sind sie aneinander gebunden. Sind der Herrscher und das Land eine Einheit.“
„Hört Ihr denn nicht zu?“, fragte er. „Die Krone verändert das. Die Krone durchtrennt dieses Band. Ganz gleich, wie stark der jeweilige Herrscher ist. Das Land ist wieder frei und willig, sich an Euch reißen zu lassen, sofern Ihr stark und ehrgeizig genug seid, was Ihr freilich sein müsst, da Ihr ja ansonsten die Krone nicht besitzen würdet.“
Ehrgeizig genug.
Seine Worte erinnerten mich an unseren Kampf, als ich Kiyo in meinem Zorn fast umgebracht hätte. Ich starrte angeekelt auf die Krone runter. „Ich will sie nicht. Ich will so eine Macht nicht. Das lag nie in meiner Absicht.“
Der Hüter der Krone sah jetzt genauso verdattert aus wie eben noch Kiyo und ich. „Warum habt Ihr sie denn dann erringen wollen?“
„Eugenie“, sagte Kiyo nervös. „Ich glaube nicht, dass du sie hierlassen solltest. Ganz egal, was sie in Wirklichkeit vermag… der ursprüngliche Plan steht doch immer noch. Du musst sie ja nicht wirklich benutzen. Allein dass du sie hast, reicht vielleicht schon aus, Katrice genug Angst für einen Frieden zu machen– erst recht, wenn sie ihre wahre Macht kennt.“
Ich hob den Blick von der Krone und sah auf die versengten Wände der Höhle. „Und ob sie die kennt. Und Dorian auch. Er hat es die ganze Zeit gewusst.“
Dass Kiyo keine verächtlichen Bemerkungen über Dorian machte, sprach für sein Taktgefühl und seine Selbstbeherrschung.
„Ihr müsst sie nehmen“, rief der Alte und sah zwischen uns hin und her.
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