Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)
nichts an ihrer Größe verloren hatte. Genauso hatte Sam das Gebäude in Erinnerung. Irgendwie war es ihm immer bedrohlich erschienen, warum wusste er selbst nicht. Aber wahrscheinlich hatten alle Schüler dieser Welt dieses Gefühl angesichts ihrer Ausbildungsstätte.
Sam schritt an der Seite der Schule entlang bis die Mauer endete und in einen Maschendrahtzaun überging. Er stand direkt vor dem Schulhof und den Schülern zufolge, die sich darin tummelten, musste gerade große Pause sein. Als kleiner Junge war es ihm nie aufgefallen, doch jetzt, als er von außen in den Schulhof blickte, ähnelte die Umzäunung doch sehr stark einem Gefängnishof. In gewisser Weise war es das auch manchmal gewesen. Mit dem Unterschied, dass es sich bei den Insassen um Kinder handelte. Doch manche von ihnen waren mindestens genauso gefährlich wie echte Häftlinge und wechselten vermutlich nahtlos über vom Schul- in den Gefängnishof.
Ein Schrei gellte durch den Hof, die Menge teilte sich und bildete einen Halbkreis. Sam konnte nicht viel erkennen, aber genug, um zu wissen, was sich gerade abspielte. Wieder ertönte ein Schmerzensschrei, die Menge grölte.
Genau wie er dachte, den Schulhof und den Gefängnishof trennte nur ein schmaler Grat.
Nun teilte sich der Halbkreis. Der Grund des Tumults kam in der nächsten Sekunde angeflogen. Ein kleiner, zierlicher Junge wurde zu Boden geschleudert wie eine Puppe. Kurz darauf sprang ein größerer, fetter Junge auf seinen Brustkorb und ließ seine Faust in das Gesicht des Kleinen donnern.
Solche Rabauken hatte wohl jedwede Menschengeneration vorzuweisen. Diese (einseitige) Schlägerei zwischen dem dicken Jungen und dem hilflosen Opfer erinnerte Sam prägnant an die Geschehnisse in dem selben Pausenhofe am letzten Schultag des Jahres 1987.
Kapitel 9
Sam und seine Freunde standen auf ihrem Stammplatz im Pausenhof und wünschten, dass die Zeit rascher verging. Es war der letzte Schultag und keiner von ihnen konnte erwarten, dieses Gebäude für die nächsten drei Monate nicht betreten zu müssen. Niemand von den Schülern konnte sich erklären, warum die Lehrer die Zeugnisse nicht gleich zu Beginn der ersten Stunde aushändigten, sondern erst nach der Pause. Sollte das eine Folter sein? Vermutlich. Aber der blendenden Stimmung der Kinder sollte diese eine lächerliche Stunde keinen Abbruch tun.
Obwohl es Vormittag war, war es bereits brütend heiß. Wenn sich die Hitze über die nächsten Monate hielt, würde es der heißeste Sommer seit langem werden.
Der Schulhof glich einem Glutofen und die Hitze flimmerte auf dem Asphalt.
»Mann, ich hab mir noch nie so sehr gewünscht, dass diese verdammte Pause endlich endet«, sagte Isaac und strich sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn.
Jake zupfte einen Grashalm vom Wegesrand und kaute darauf herum wie Lucky Luke. Joshua ahmte einen halbverdursteten Wanderer nach und verlangte nach Wasser.
Sam blickte auf seine Uhr und stellte fest, dass gerade einmal fünf Minuten der Pause vergangen waren und es noch immer zehn Minuten bis zum Beginn der letzten Stunde auszuharren galt. Gelangweilt spielte er an der Plastikhülle, die als Behältnis für sein Zeugnis vorgesehen war, herum. Der Schweiß rann von seinem Nacken hinab und bildete einen Rinnsal, der in seiner Unterhose mündete. Widerlich klebte sie ihm an den Backen.
Zwei weitere endlos lange Minuten vergingen. Der Grund warum sie hier draußen in der Hitze warteten lag darin, dass das Schulgebäude ebenso wenig Abkühlung bot. Die Luft in den alten Mauern war so dick und heiß, dass man sie mit einem Messer mühelos hätte schneiden können.
»Was haltet ihr davon, wenn wir heute Abend ins Kino gehen?«, schlug Madison vor.
»Und was willst du gucken? Bitte keinen Frauenfilm. Verschon uns mit diesem Mist.« Little Joe verdrehte die Augen, bildete mit seinen Fingern eine Pistole die er sich an die Schläfe hielt, ahmte einen Schuss nach und verteilte sein imaginäres Gehirn auf dem heißen Asphalt.
Die Jungs kicherten leise.
»Wieso, Dearing? Das wär doch genau dein Ding.«
»Halt die Klappe, Anderson.«
»Quatsch, wer will denn in einen Frauenfilm?«, zischte Madison. Sam sah in ihren Augen, dass sie nichts dagegen einzuwenden hätte, einen anzusehen. Aber er selbst und die übrigen Jungs sahen die Sache anders.
»House 2 läuft ab heute«, meinte Sam und sah fragend in die Runde. Sein Vorschlag erntete Zustimmung. Widerwillig auch die
Weitere Kostenlose Bücher