Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)
gewesen.
Doch so perfekt sein Aussehen war, litt der griechische Gott Jake Anderson seit Kurzem unter einem Makel. Er hinkte. Ein Andenken an seinen letzten Sprung. Anfangs dachte er, na toll, jetzt wo ich ein Krüppel bin, wird mich keine Puppe mehr ansehen. Doch das genaue Gegenteil war eingetroffen. Er kam bei den Frauen noch besser an. Seine Verletzung schien ihm diese seltsame Aura aus Draufgängertum und Sensibilität und Verletzlichkeit zu verleihen. Hart und weich zugleich. Stark und doch sanft. Und darauf standen sie.
Bei Peggy Sue hatte sie ihre Wirkung nicht verfehlt. Sie stieg ihm im Flugzeug auf den Fuß und schon kamen sie ins Gespräch. Natürlich hatte Jake das kleine Missgeschick der Stewardess provoziert, indem er im entscheidenden Moment sein Bein austreckte.
Jake schleppte seine Trainingstasche und seinen Koffer durch die kleine Eingangshalle.
»Kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?«, fragte ein Mann mittleren Alters, der sein Hinken bemerkt hatte.
Jake schüttelte den Kopf. »Ich bin kein Krüppel, Kumpel. Aber trotzdem danke«, sagte er.
Hätte es sich um eine junge Frau gehandelt, dann hätte Jake mit Sicherheit anders reagiert und seinen Mitleidsbonus aus dem Ärmel geholt.
Er stand am Flughafenparkplatz und sog die überraschend warme Luft ein. Es war zwar nicht so heiß wie in Acapulco, doch ließ die Wärme erahnen, dass es auch hier ein brütend heißer Sommer werden würde.
Jake war seit Ewigkeiten nicht mehr in seiner alten Heimat gewesen, doch als er die Einladung für das Klassentreffen erhielt, konnte ihn nichts mehr halten. Jake hatte zwar alles was sich ein Mann wünschen konnte - Geld, schnelle Autos, viele schöne Frauen, ein Haus am Strand - doch was ihm wirklich fehlte waren Freunde. Natürlich hatte er welche, aber diese Verbundenheit, die zwischen ihm und seinen alten Freunden aus Flagstaff geherrscht hatte, fehlte. Auch wenn der Kontakt schon vor langer Zeit abgebrochen war, vergessen würde er sie nie. Dieses Band der Erinnerung würde ewig bestehen. Jake hatte nie versucht sie zu finden. Nicht weil er sie nicht sehen wollte, sondern wegen der Geschehnisse im Sommer 1987, als sich alles geändert hatte. Er wusste, dass immer diese Sache zwischen ihnen stehen würde und Erinnerungen hochkommen würden, die besser da blieben, wo sie seit Jahrzehnten schlummerten: unter der Erde.
Jake wünschte sich, die Erlebnisse hätten sie enger zusammengeschweißt, doch zu seinem Bedauern war dem nicht so gewesen.
Jake blieb danach noch einige Jahre in Flagstaff und ging nach der Highschool noch für eine Weile auf das College in Lincoln, schloss die Kurse aber nicht ab und suchte stattdessen das Weite. Er begann ein neues Leben in Acapulco, und es drehte sich um Extremsport. Als er seine Eltern darüber informierte, in Mexiko bleiben zu wollen, zögerten die beiden nicht lange und folgten ihm in den sonnigen Süden. Der Klimawechsel täte ihren alten morschen Knochen gut, hatte sein Vater gemeint. Da sprach der Arzt aus ihm. Jake vermutete aber, dass er ihn einfach im Auge behalten wollte.
Anfangs war er gar nicht glücklich darüber gewesen, dass sein Sohn das College hinschmiss – sollte Jake doch einmal in seines Vaters Fußstapfen treten – doch als er sah, dass sich damit gutes Geld verdienen ließ und sein Sohn obendrein glücklich war, fand er sich damit ab. Er hätte es ohnehin nicht ändern können.
Es lag Jake fern, Flagstaff nie wieder aufzusuchen, aber nach seinen ersten großen Erfolgen bereiste er die Welt und fand einfach keine Zeit für einen kurzen Besuch seiner Geburtsstadt. Wenigstens redete er sich das ein. Tatsächlich hatte er, wenn auch nicht bewusst, Angst vor den Dingen, die damals geschehen waren. Die er und seine Freunde für immer begraben hatten.
Die Einladung zum Klassentreffen kam ihm sehr gelegen, denn er benötigte ohnehin Ruhe und Zeit, um sich von seiner Verletzung zu erholen. Die Ärzte und Physiotherapeuten meinten, dass er den Extremsport abhaken könne. Und zwar für immer. Das Hinken würde ihm bleiben, egal was er auch versuchte. Doch was sollte Jake sonst mit seinem Leben anfangen? Der Sport bedeutete ihm alles. Und er war das Einzige worin Jake gut war, besser als jeder andere. Eine andere außergewöhnliche Begabung hatte er nicht vorzuweisen. Außerdem spielte der finanzielle Sektor eine nicht unwichtige Rolle. Wovon, wenn nicht vom Sport, sollte er leben? Mit Frauen aufreißen konnte man kein Geld verdienen, sonst
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