Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)
Madison über die Wange. Madison zuckte zurück. Ein Gefühl aus Ekel und Angst durchströmte sie. Normalerweise hatte Lilly Madison Wange nur berührt, um ihr eine zu scheuern. Dieses zarte Streicheln über ihre Haut war ihr fremd. Und genau deshalb auch so unangenehm. Wie gerne hätte sie diese Berührung als Kind gespürt, dann, wann sie sie am dringendsten gebraucht hatte. Jetzt war es zu spät für Zärtlichkeiten. Außer Verachtung brachte sie ihrer Mutter nichts weiter entgegen.
So darfst du nicht denken. Sie ist alles, was du noch hast. Nein! Bald treffe ich Sammy wieder. Und dann wird alles anders. Besser!
Lilly Franklins tief in ihren Höhlen verborgenen Augen zeigten tatsächlich so etwas wie Freude über das Wiedersehen. Das in ihren Augen zu sehen, verunsicherte Madison. Vielleicht kam Lilly Franklin in das Alter, in dem man sich Gedanken über den Tod machte und hatte Angst alleine zu sterben. Denn Lilly war nicht nur das Einzige was Madison geblieben war , Madison war auch das einzig Übrige für Lilly. Zwei verpfuschte Leben, in Einsamkeit vereint. Traurig. Und jämmerlich. Madison fühlte sich deprimiert.
»Und du siehst furchtbar aus, Mom«, sagte sie trocken.
»Ich fange bald mit der Therapie an.«
Wie oft hatte Madison diesen Satz bereits aus dem Mund ihrer Mutter gehört? Hundert Mal? Sie konnte es nicht sagen. Jedenfalls war es zu oft gewesen. Gebrochene Versprechen.
Madison wusste, wenn ihre Mom ihren Lebensstil aufrechterhalten würde, würde sie wohl kein biblisches Alter erreichen. Zu groß war die Gefahr an Leberversagen oder einer Geschlechtskrankheit zugrunde zu gehen. Der viele Bourbon und die wechselnden Geschlechtspartner zusammen mit nachlässiger Verhütung würden ihren Tribut fordern. Es war nur eine Frage der Zeit, aber früher oder später (mit Sicherheit früher) würde der Sensenmann ihr einen Besuch abstatten. Und er käme nicht um zu vögeln!
Vielleicht wäre der Tod aber auch eine Erlösung. Für ihre Mutter, und vor allem für Madison. Vielleicht waren das furchtbare und herzlose Gedanken, aber was konnte man von jemandem erwarten, der von seiner Mutter kein bisschen Liebe erfahren hatte? Doch wohl nur Gefühle, die man selbst am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte.
Madison fiel eine Streiterei zwischen Vater und Mutter ein, ein weiteres Beispiel für die unbedingte Liebe Lilly Franklins ihrer Familie gegenüber.
Herzloses Miststück! Und doch war sie ihre Mutter.
Lilly, schwer alkoholisiert und halbnackt, hatte zu Madison gesagt, in einem lallenden Singsang, dass sie der gleiche Abschaum wie ihr Vater sei und sie sie ohnehin nie gewollt hätte. Einen gottverdammten Unfall hatte sie sie genannt.
Madison weinte bis tief in die Nacht hinein, getröstet von ihrem Vater. Am nächsten Tag versuchte sich ihre Mutter an einer halbherzigen Entschuldigung. Sie war nicht ernst gemeint, klang, als hätte man sie mit vorgehaltener Pistole dazu gezwungen. Ein bloßes Pflichtprogramm; man entschuldigte sich eben bei seinen Kindern, wenn man ungerecht zu ihnen gewesen war. In Lillys Augen konnte man erkennen, wie viel ihr die Entschuldigung wirklich bedeutete. So viel wie ihre Tochter. Gar nichts.
Es gab viele Sachen, die Madison ihr nicht verzeihen konnte, auch wenn Lilly Franklin nun einen auf gute fürsorgliche Mutter machen wollte und Besserung gelobte. Aber sie hatte in der Vergangenheit einfach zuviel kaputt gemacht. Manche Dinge ließen sich eben nicht reparieren, und schon gar nicht von heute auf morgen.
»Bleibst du heute Nacht hier?«
»Wirst du denn allein sein?«
»Ja«, antwortete Lilly zögerlich und doch entschlossen.
Madison nickte.
»Wenn er hier verschwindet, dann bleibe ich.« Um keine falschen Eindruck zu erwecken, fügte sie hinzu: »Aber nicht deinetwegen, sondern weil dieses Haus auch meines … Dads ist … war, und ich das Recht dazu habe.«
Lilly Franklin gab sich damit zufrieden. Vielleicht begriff sie, dass sie von ihrer Tochter kein Entgegenkommen erwarten durfte.
Der fette Carl verließ nach einer kurzen aber heftigen Diskussion mit Lilly im Nebenzimmer das Haus, ohne ein Wort des Abschieds. Aber der Ausdruck in seinem Gesicht sprach Bände.
Madison machte sich einen Krug voll Eistee, nahm sich ein Glas und begab sich auf die Veranda in den alten Schaukelstuhl ihres Vaters, der merkwürdigerweise immer noch an seinem Platz stand. Madison wunderte sich, dass ihre Mutter nicht alles von ihm weggeworfen hatte.
Hier saß sie auch, als Sam
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