Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)
der Wissenschaft nachzueifern, hatte er einen gänzlich anderen Weg eingeschlagen. Er war Priester geworden und nun seit einigen Jahren Pater in seiner Heimatgemeinde, der geistige Führer von Flagstaff, wenn man so wollte. Diesen Sinneswandel hatte er seinen Eltern zu verdanken. Die beiden gottesfürchtigen Christen hatten ihn beinahe zu diesem Beruf gedrängt. Und er hatte es geschehen lassen, war sein Charakter doch noch nie von widerspenstiger Natur. Er war nicht seinen Träumen gefolgt, sondern denen seiner Eltern. Er wusste nicht, ob er zufrieden mit seinem Zustand war, aber er hatte sich daran gewöhnt Priester zu sein.
Isaac galt in der Gemeinde als weltoffen, liberal. Nicht wie Pater O´Leary, bei dem Isaac noch als Ministrant tätig war. Pater O´Leary hätte man wohl getrost als gemäßigten Fundamentalisten bezeichnen können. Auch wenn er ein herzensguter Mensch war. Er lebte nach der Bibel, und was darin geschrieben stand war gut und Gesetz. Universalgesetz wohlgemerkt. Es gab nur dieses eine, und wer nicht daran glaubte, der betete nicht existierende Götzen an. Judentum, Islam, Buddhismus, Hinduismus. Alles Humbug. Das Christentum war die einzig reale von Gott höchstpersönlich geschaffene Religion. Und wer an den einzig wahren Gott glaubte, dem war das Himmelreich versprochen. Die übrigen Verblendeten konnten zum Teufel fahren.
Aber er war auch ein geduldiger Mann, der zwar nur einen Glauben akzeptierte, aber diesen nie mit Gewalt einem anderen aufzwang. Er hörte den Argumenten Andersgläubiger unermüdlich zu, griff sie weder verbal noch physisch an, wenn sie ihm nicht passten, ließ aber auch keinen Fingerbreit von seinen eigenen Überzeugungen ab. In gewisser Weise war Pater O´Leary beneidenswert. Er sah in jedem Geschehen auf der Welt Gottes Wirken. Gott hatte seine Finger überall, alles geschah nach seinem Willen.
Der Pater erklärte Isaac auch, dass Gott alles erschaffen hatte. Jedes noch so kleine Atom. Evolution ist Gott. Gott ist die Evolution.
Über diese Worte dachte Isaac lange nach. Er kam zu dem Schluss, dass sowohl die Wissenschaft, als auch O´Leary und seine Eltern recht mit ihrer Sicht der Welt hatten. Religion und Wissenschaft stellten für den Jungen keinen Widerspruch dar.
Für Isaac gehörten seit diesem Tag Wissenschaft, insbesondere die Evolutionsgeschichte, und der Glaube an Gott zusammen. Die Grenzen verschwammen einfach, obwohl er das nie offen gesagt hätte. Gott behüte, wenn die Gemeinde, oder seine Eltern davon erfahren würden.
Er glaubte an Gott, kein Zweifel, und auch an die Hölle. Nur eben nicht in dem Sinne wie es in der Bibel stand. Er nahm die Texte nicht wörtlich. War er deswegen ein Sünder? Möglich. Aber es war unwichtig.
Seit dem Sommer 1987 war seine Seele ohnehin dem Teufel versprochen. Er war um keinen Deut besser als all die Sünder, die ihn um Absolution baten. Priester zu sein, bedeutete den Menschen Trost zu spenden, ihnen ein Ohr zu leihen und ihnen ihre Sünden abzunehmen.
Und wer nimmt sich meiner Sünden an?
Niemand. Die Bürde hatte er allein zu tragen.
Jetzt wo das Klassentreffen bevorstand, kamen diese Sünden wieder hoch. Er hatte sie verdrängt, doch sie zu vergessen, war ihm nicht vergönnt gewesen.
Die Stimme von Lilly Franklin war in weite Ferne gerückt, nun riss sie Isaac aus seinen Gedanken.
»Pater? Wird mir vergeben?«
Die richtige Antwort wäre »Ja« gewesen, »natürlich«. Geh nach Hause und bete drei Vater Unser und fünf Gegrüßet seiest Du Maria , dann bist du von deinen Sünden befreit. Aber war das wirklich richtig? Würde Gott sich damit zufrieden geben? Isaac dachte an Sodom und Gomorrha. Hatte Gott den beiden Städten ihre Laster nachgesehen? Hatte er gesagt »Betet doch mal ´ne Runde zu mir, dann verzeihe ich euch und alles ist wieder gut. Nein, er hatte sie zerstört. Unter seinen göttlichen Sandalen in Grund und Boden zerstampft! Irgendwann musste ja mal Schluss sein, richtig?
»Pater, sind Sie noch da? Erteilen Sie mir die Absolution?«
»Ich glaube nicht. Versuchen Sie es nächste Woche noch einmal, Mrs. Franklin.« Er bemerkte die Bitterkeit in seiner Stimme. Es war ihm egal. »Denn da werden Sie wieder zu mir kommen, richtig? Sammeln sie doch noch ein paar Sünden, damit sich das Beten auch auszahlt.«
Es herrschte Stille. Lilly Franklin war geschockt, doch sie fasste sich wieder.
»Was? Sie sind ein Priester. Ein Diener Gottes. Sie müssen mir Vergebung für meine Sünden
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