DARK TRIUMPH - Die Tochter des Verräters
Rückkehr zu beten. Und da habe ich dann die Geister gehört.«
Die angespannten Züge seines Gesichtes entspannen sich ein wenig. »Ich weiß deine Gebete zu schätzen, doch du hast dich in Gefahr gebracht, weil du herumschnüffelst, wo du nicht sein solltest.«
»Woher sollte ich wissen, dass meine Gebete so schnell erhört werden würden?« Ich lächle, als sei es wahre Dankbarkeit. Dann werde ich wieder ernst. » Geister, Julian. Kannst du sie spüren?«
Ich erlaube mir ein Schaudern – das ist keine Schwierigkeit bei der Kälte des Todeshauchs, der mich umweht wie ein Mantel, und der großen Furcht, die mich durchläuft. Ich sorge dafür, ein Funkeln der Erregung in meinen Augen aufglühen zu lassen. »Geister all der Gefangenen, die hier gestorben sind, ohne gebeichtet zu haben.« Genau in dem Moment erklingt ein schwaches Klappern von Ketten, das erste Geräusch, das ich in der ganzen Nacht von dem Gefangenen gehört habe. Ich umklammere Julians Arm. »Da! Hast du es gehört? Sie könnten sich des Nachts in unsere Räume schleichen und uns die Seelen aus den Körpern saugen.« Um das Maß vollzumachen, bekreuzige ich mich.
Er mustert mich für einen langen, stummen Augenblick, dann scheint er zu einer Entscheidung zu kommen. »Pass auf. Lass mich dir diese Geister zeigen.« Er lässt meinen Arm los, dann hämmert er einmal gegen die vergitterte Tür. Als Schritte angeschlurft kommen, schaut er auf mich herab. »Wie bist du hereingekommen?«
Ich blinzle, als würde ich seine Frage nicht verstehen. »Ich habe die Tür geöffnet und bin hineingegangen.«
»Das kann nicht sein!«, zischt er. Ein dunkles Auge späht durch das Gitter. Julian hebt den Kopf, sodass man sein Gesicht sehen kann, dann folgt ein Klirren, als der Riegel angehoben wird.
Interessant, dass der Wärter die Tür für meinen Bruder so leicht öffnet. Wie sehr genießt Julian d’Albrets Vertrauen? Ich habe geglaubt, er sei nur am Rande in d’Albrets Ränke verwickelt, gerade genug, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, aber jetzt muss ich das überdenken.
Die Tür wird geöffnet und der seltsame kleine Mann macht eine tiefe Verbeugung. »Das«, sage ich und betrachte die Kreatur, »ist kein Geist, sondern ein verkrüppelter alter Mann. Oder ein Gnom.«
Julian wirft mir einen verärgerten Blick zu, packt mich am Arm und zerrt mich halb durch den kleinen Raum. Ich halte mir die Nase zu. »Und das ist definitiv kein anderweltlicher Gestank«, füge ich hinzu.
»Sieh her.« Julian stößt mich auf eine zweite Tür zu, die oben ebenfalls ein vergittertes Fenster hat. »Dein Geist.« Julian nimmt eine Fackel von der Wand und stößt sie durch die Gitterstäbe.
»Bei Gott«, flüstere ich. Der Mann stöhnt und versucht, sich von den ihn blendenden Flammen abzuwenden. Sein Gesicht ist zerschlagen und deformiert und geschwollen und blutverkrustet. Er ist halb nackt, mit nichts bekleidet als ein paar Lumpen, und aus zwei großen Wunden in seinem linken Arm sickert dunkles Blut. Ich kann kaum glauben, dass dies die gleiche Gestalt ist, die vor nur vierzehn Tagen so tapfer gegen die Angreifer der Herzogin gekämpft hat. D’Albret hat ein weiteres strahlendes, edles Geschöpf ruiniert. »Wer ist er?« Es kostet keine Überwindung, Abscheu und Ekel in meine Stimme zu legen, denn der Gefangene ist behandelt worden wie der abscheulichste Verbrecher, jenseits aller Maßstäbe. So schlecht würde man nicht einmal seinen ältesten Hund behandeln.
»Nur ein Gefangener vom Schlachtfeld. Jetzt komm. Wenn irgendjemand sonst erfährt, dass du hier gewesen bist, fürchte ich, dass nicht einmal ich dich vor dem Zorn unseres Vaters retten kann.« Mit diesen Worten steckt Julian die Fackel wieder zurück in die Wand, dann zerrt er mich aus dem Kerker.
Sobald wir draußen sind, sauge ich die kalte, süße Luft in meine Lungen. »Plant unser gnädiger Herr Vater, ein Lösegeld für ihn zu verlangen?«
»Nein.«
»Warum tötet er ihn dann nicht einfach und bringt die Sache hinter sich?«
»Ich denke, die beiden haben irgendeine alte Rechnung miteinander offen, und unser Vater hat eine besondere Rache geplant. Ich glaube, er hat vor, den Mann zu benutzen, um der Herzogin eine Botschaft zu schicken.«
Ich halte meine Stimme unbeschwert. »Der Mann scheint mir nicht in der Lage zu sein, eine Botschaft durch seine Zelle zu bringen, geschweige denn nach Rennes.«
»Du missverstehst mich. Der Ritter wird die Botschaft sein. Wenn sein aufgehängter, ausgeweideter
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