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Dark Village - Das Böse vergisst nie

Dark Village - Das Böse vergisst nie

Titel: Dark Village - Das Böse vergisst nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjetil Johnsen
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dazu klappte ihr Mund immer wieder auf. Sie schien Mühe zu haben, die Lippen zu schließen. Ihre Mutter funktionierte nicht. Ihre Muskeln protestierten und ihr steifer Oberkörper schwankte. Sie war nur einen Atemzug davon entfernt, einfach vom Stuhl zu fallen.
    „Dein Vater ist abgereist.“
    „Ich weiß“, sagte Benedicte. „Aber doch schon gestern. Er kommt am Montag wieder.“
    Ihr Vater war viel unterwegs. Er arbeitete als Pharmavertreter und fuhr kreuz und quer durch Norwegen, um Krankenhäuser und Arztpraxen zu besuchen und neue Medikamente vorzu stellen. Kurz gesagt: Er verkaufte Pillen. So dachte jedenfalls Benedicte. Mein Vater verkauft Dope. Und meine Mutter nascht von seinem Vorrat. Das stellt doch jede Soap in den Schatten .
    Das Schlimmste war, dass ihr Vater Bescheid wusste. Er musste es wissen –, aber er ließ es zu. Er ließ ihre Mutter Pillen einwerfen, als wären es zuckerfreie Lutschpastillen. Vielleicht, weil es ihm so gut in den Kram passte.
    „Die Hure“, zischte ihre Mutter. „Er ist mit der Hure unter wegs.“
    „Sie sind Kollegen“, sagte Benedicte. „Es gehört zu ihrem Job, zusammen zu reisen.“
    „Die Huuuure“, kreischte ihre Mutter und drückte sich in die Höhe. Dann kippte sie zur Seite. Stocksteif in Richtung Wand, sodass ihr Fall von allein gebremst wurde, als ihr Kopf und ihre Schulter gegen die Tapete rumsten.
    So blieb sie stehen. An die Wand gelehnt wie ein Brett. Am liebsten hätte Benedicte laut gelacht, das war doch alles so fucking absurd und absolut zum Kotzen. Aber sie brachte nur ein unterdrücktes Kichern raus, da sackte ihre Mutter plötzlich zusammen wie ein Wackelpudding und sämtliche ihrer Mus keln gaben gleichzeitig den Geist auf.
    Sie zerfloss wie Schleim zwischen Stuhl und Wand auf dem Boden.
    Fuck you!, dachte Benedicte. Du kannst mich mal, mit allem was dazugehört .
    Auf der Uhr über dem Küchentisch tickten ein paar Sekun den vorüber. Benedicte wollte nur noch hoch in ihr Zimmer und sich um nichts mehr kümmern. Irgendwas unternehmen. Egal was, Hauptsache, hier raus.
    Dann redete der Schleimhaufen: „Be-ne-dic-teee.“
    Wie pathetisch. Wie unglaublich pathetisch.
    Benedicte ging zu ihrer Mutter und betrachtete sie. Meine Mama. Sie hat mich geboren. Wie kann das sein?
    „Hiiilf miiir.“
    Benedicte überkam eine übermächtige Lust, ihre Mutter zu treten, richtig fest und immer wieder, damit sie auch mal fühlte, wie es war, wenn einem alles wehtat. Aber sie ließ es bleiben.
    Stattdessen beugte sie sich runter und griff nach dem Arm ihrer Mutter.
    „Du musst mithelfen“, sagte sie. Sie fasste ihre Mutter unter den rechten Oberarm und zog. „Steh auf.“
    Langsam rappelte ihre Mutter sich auf. Es sah aus, als müsste sie sich dafür unmenschlich anstrengen. Sie war völlig außer Atem.
    Benedicte nickte. „Ins Wohnzimmer. Ich halte dich. Los, aufs Sofa.“
    Sie schleppten sich ins Nebenzimmer. Es waren nur fünf oder sechs Meter, aber sie brauchten eine Ewigkeit. Wie in einem Traum, in dem man lief und lief und nicht vom Fleck kam.
    Endlich hatten sie das Sofa erreicht. Benedicte drehte ihre Mutter, sodass die Sofakante ihre Kniekehlen berührte, aber ihre Mutter setzte sich nicht, sondern hängte sich an Benedic tes Hals und flüsterte ihr ins Gesicht: „Du bist die Einzige, die er liebt.“ Ihr Atem war warm und so süßlich, dass Benedicte schlecht wurde. „Du. Glaubst du, ich wüsste das nicht? Dich und seine Huuure.“
    „Mama.“ Benedicte wandte den Kopf ab.
    „Er findet mich nicht mehr hübsch“, hauchte ihre Mutter. „Er findet mich hässlich.“
    „Mama, lass …“
    „Hör mir zu!“ Für einen Moment wirkte ihre Mutter voll kommen klar. Ihre Augen waren scharf und stechend und ihre Stimme leise und durchdringend. Benedicte blieb nichts ande res übrig , als ihre Mutter anzusehen. Sie traute sich nicht, sie loszulassen.
    Seit einer Ewigkeit waren sie sich nicht mehr so nah gewesen. Und Benedicte entdeckte in den Augen und dem Gesicht ihrer Mutter etwas Dunkles und Böses. Hass.
    „Wenn ich dir wichtig wäre“, flüsterte ihre Mutter, „dann wür dest du dich nicht ständig auftakeln. Wenn du mich lieb hättest. Dann würdest du nicht alles dafür tun, um mich hässlich aus sehen zu lassen. Das würdest du mir nicht antun, Be-ne-dic-te. Nicht, wenn du mich wirklich lieb hättest. Das würdest du nicht tun!“

8
    Sie brauchte jetzt wirklich was anderes, was Schönes, das sie glücklich machte.
    Benedicte wartete,

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