DARKNET
etwas, das wir nicht antizipieren konnten.» Der Major schritt zügig auf einen privaten Gulfstream-V-Jet zu, den er kürzlich erworben hatte. Eine Gruppe uniformierter Privatfirmenoffiziere folgte ihm.
«Das ist ein ungeheuerliches Aufklärungsversagen, Colonel. Man hat mir gesagt, diese Communities hätten keine nennenswerten Waffen oder Verteidigungsmittel, und auf Basis dieser Einschätzung haben wir unser Streitkräftedispositiv entwickelt. Ich hatte meinem Klienten nach dem Crash eine gefügige Bevölkerung versprochen und liefere ihm stattdessen einen ausgewachsenen Aufstand.»
«Zum Zeitpunkt, als die Einschätzung vorgenommen wurde, hatten sie auch keine nennenswerten Waffensysteme.»
«Sobol war teuflisch clever. Zu clever womöglich. Jetzt müssen wir wiederkommen und aus der Stratosphäre einen Bombenteppich auf diese Städte legen.»
Der Major schüttelte den Kopf. «Dahinter steckt nicht Sobol.»
«Wie meinen Sie das, Major? Natürlich steckt er dahinter, es ist doch sein Daemon.»
Der Major blieb am Fuß der Jet-Treppe stehen. «Roy Merritt ist für die Darknet-Community ein Volksheld. Weiß der Teufel, warum. Aber er ist einer, und dieser ‹mächtige› Avatar, der da heute aus dem Darknet gekommen ist, ist nach Merritt gestaltet.»
«Woher wissen Sie das, Major?»
«Ich habe meine Quellen. Ich sage nur so viel, dass die Merritt-Legende – und das zugehörige Beweisvideo – heute Nacht im gesamten Darknet herumschwirren wird.»
Der Colonel war sprachlos.
«Damit da kein Zweifel besteht, Colonel: Der Daemon entwickelt sich weiter. Sobol hat offensichtlich einen Mechanismus geschaffen, der es der Userpopulation erlaubt, den Daemon zu verändern. Und ebendieser Mechanismus wird uns helfen, den Daemon für unsere Zwecke einzuspannen.»
«Dann ist der Verlust unserer Operationskräfte also …»
«Trotzdem ein ungeheuerlicher Pfusch. Gibt es Verlustzahlen?»
«Wir haben die ganze verflixte Operationsgruppe verloren, Sir.»
«Und was ist mit der Ausrüstung?»
Der Colonel schüttelte nur stumm den Kopf.
«Verflucht. Jetzt müssen wir das ganze Psyops-Programm neu konzipieren. Und das ganze Nachrichtenmaterial, das wir haben, nochmal filmen – verdammter Mist!»
«Dass die gesamten Sicherheitskräfte von angeblichen Gangmitgliedern ausgeknockt wurden, ist nicht gerade die beste Werbung für die Privatisierung, Sir.»
«Das lässt sich alles regeln. Wichtig ist nur, dass Operation Exorcist zum Erfolg führt, sonst holt uns diese Geschichte wieder ein.»
Als Sebeck zu sich kam, wurde er an den Ellbogen über eine Wiese geschleift. Es war helllichter Tag, also musste er eine ganze Weile bewusstlos gewesen sein. Er fühlte sich groggy, wie von Betäubungsdrogen. Seine Hände waren hinter dem Rücken gefesselt, und über dem Mund hatte er Klebeband. Seine HUD -Brille war verschwunden, sein kugelsicherer Helm ebenfalls. Er hörte das Knattern automatischer Waffen in einiger Entfernung, dazwischen die Stimmen von Soldaten, die in Funkgeräte sprachen.
«Tango. Delta. Zulu. Fünf, sechs, drei. Wir sind klar zur Luftevakuierung. Wiederhole, klar zur Luftevakuierung. Over.»
Sebeck verrenkte den Hals, um hinter sich zu blicken, aber das war zu schwierig. Sie schleppten ihn an einem Dutzend höhnisch grinsender und lachender Söldner vorbei. Allmählich wurde die Situation klar.
Seine Quest war vorbei. Er hatte versagt. Die Soldaten schleiften ihn zum Heck eines wartenden Pick-ups und warfen ihn auf die Ladefläche. Er landete bäuchlings auf dem Wellstahl, neben einem bewusstlosen Laney Price. Er war unsagbar froh, Laneys rotes, geschwollenes Gesicht und flatternde Nasenflügel zu sehen. Immerhin atmete er noch.
Die Heckklappe wurde zugeknallt, und der Pick-up fuhr mit einem Ruck an. Sebeck versuchte, das Gesicht von dem rauen, zerkratzten Metall der Pritsche wegzudrehen. Es gelang ihm, sich auf die Seite zu wälzen, und er sah über sich Bäume vorbeirasen.
Bald schon preschte der Pick-up so schnell eine Straße entlang, dass die Soldaten rechts und links von Sebeck die Muskeln anspannten, um die Schlaglöcher abzufangen. Gelegentlich schossen sie auf etwas Unsichtbares, aber ansonsten war nur das Röhren des Pick-up-Motors zu hören.
Wenige Minuten später bog der Transporter von der Straße ab und fuhr jetzt über leiseren Untergrund – Gras vielleicht. Er kam rutschend zum Stehen, und die Soldaten sprangen von der Pritsche. Dann wurde Sebeck an den Knöcheln gepackt und so
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