Darkover 01 - Landung auf Darkover
nächtliche Schnee nicht mehr fiel. Er ging hinaus und betrachtete den dunklen Himmel und die fremden Sterne, und drei der vier Monde hingen wie juwelenbesetzte Leuchter unter dem hohen Grat des steil emporragenden Bergmassivs, dann kehrten seine Blicke und Gedanken in das Tal zurück. Dort war sein Volk - und Camilla, die sein Kind trug. Fern im Osten war ein schwaches Glimmen zu bemerken, dort, wo die große rote Sonne aufgehen würde. MacAran war plötzlich von einer großen und unaussprechlichen Zufriedenheit erfüllt.
Auf der Erde war er niemals glücklich gewesen. In der Kolonie hätte er sich vielleicht besser gefühlt, aber selbst dort hätte er sich in eine von anderen Menschen entworfene Welt einpassen und mit Leuten zusammenleben müssen, zu denen er möglicherweise gar nicht paßte. Hier jedoch konnte er Anteil haben am ursprünglichen Entwurf der Dinge, er konnte mitgestalten, er konnte schaffen, was er für sich und seine zukünftigen Kinder und deren Kindeskindes erhoffte. Eine Tragödie, eine Katastrophe hatte sie hierhergebracht, Wahnsinn und Tod hatten sie heimgesucht, und doch wußte MacAran, daß er einer der Glücklichen war. Er hatte seinen Platz gefunden, und er war gut.
Einen Großteil dieses und des nächsten Tages benötigten sie, um auf ihren eigenen Spuren vom Fuß des Gletschers zurückzukehren - durch düsteres, graues Wetter und schweres, sich zusammenballendes Gewölk, und MacAran, der gelernt hatte, dem schönen Wetter dieses Planeten zu mißtrauen, fühlte nun doch ein feines Kribbeln der Unruhe. Gegen Abend des zweiten Tages fiel Schnee, schwere Flocken peitschten zorniger als jemals zuvor auf dieser Welt vom Himmel. Die Erdenmenschen froren selbst in ihren warmen Kleidern, die Welt verwandelte sich in einen weißen tobenden Wahnsinn, in etwas Farbloses, Formenloses - in ein Nichts -, und sie verloren jede Orientierung. Sie wagten nicht anzuhalten, doch es wurde bald klar, daß sie nicht mehr viel länger durch die tiefer werdenden Schichten weichen pulvrigen Schnees weitergehen konnten, durch die sie, sich gegenseitig festhaltend, umherstapften. Sie konnten nur weiterhin abwärts gehen. Andere Richtungen hatten keine Bedeutung mehr. Unter den Bäumen waren sie ein wenig geschützter, doch der heulende Wind von den Höhen über ihnen, das Knarren und Wanken der Äste - als würde der Wind in der gigantischen Takelage eines unvorstellbar großen Segelschiffs spielen - erfüllte die Dämmerung mit unheimlichen Lauten. Einmal, als sie unter einem mächtigen Baum Schutz gefunden hatten, versuchten sie, ihr Zelt aufzubauen, aber der Sturm ließ es wild davonflattern, und sie mußten dem wehenden Stoff durch den Schnee hinterherjagen, bis er sich um einen Baum wickelte und sie ihn mehr recht als schlecht bergen konnten. Daraufhin stand fest: Das Zelt konnte ihnen keinen Schutz bieten, und es wurde in der Tat immer kälter, und ihre Mäntel hielten sie zwar trocken, vermochten aber gegen die durchdringende Kälte nichts auszurichten.
Im Windschatten eines außergewöhnlich großen Baumes angelangt, murmelte Frazer mit aufeinanderklappernden Zähnen: »Wenn es im Sommer schon derartig verfluchte Stürme gibt, wie werden sie dann erst im Winter sein!«
»Im Winter, denke ich«, sagte MacAran verbissen, »ist es wohl besser, wenn keiner von uns das Basislager verläßt.« Er dachte an den Sturm nach der Zeit des ersten Windes zurück, als er im leichten Schneetreiben nach Camilla gesucht hatte. Damals war ihm das wie ein Schneesturm vorgekommen. Wie wenig er diese Welt doch gekannt hatte! Er war überwältigt von quälender Angst und einem Gefühl des Bedauerns. Camilla. Sie ist in der Siedlung sicher. Aber werden wir je dorthin zurückkommen, auch nur ein einziger von uns? Mit einem schmerzhaften Stich von Selbstmitleid dachte er daran, daß er das Gesicht seines Kindes niemals sehen würde - aber dann verwarf er diesen Gedanken ärgerlich. Noch brauchten sie nicht aufzugeben und sich zum Sterben niederzulegen - doch es mußte irgendwo eine Zuflucht geben! Sonst würden sie diese Nacht nicht überstehen. Das Zelt war kaum mehr wert als ein Stück Papier - trotzdem, es mußte eine Möglichkeit geben…
Denk nach. Du hast selbst damit geprahlt, was für eine ausgewählte intelligente Bande wir doch sind. Gebrauch deinen Verstand… sonst könntest du genausogut ein australischer Buschmann sein.
Und das wärst du auch besser. Sie sind verdammt gut im Überleben. Du aber bist dein
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