Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
an dem zu weiden, was wir übrig lassen?«
»Ein Wächtervogel.« Rumails Stimme klang grimmig, Über ihnen flog kein gewöhnlicher Vogel. Irgendwo in Hasturs Armee hatte ein Laranzu oder vielleicht auch eine dieser verfluchten Leronis-Frauen sich telepathisch mit dem Vogel verbunden und konnte alles sehen, was der Vogel sah.
Aber was spielte das schon für eine Rolle? Dass er die Zähne der Falle sah, die über ihm zuschnappte, würde Rafaels Streitkräfte nicht retten. Der Plan des Wolfs verlief brillant. Seine Reserveeinheiten würden ganze Arbeit leisten und die Hastur-Leute zum Rückzug zwingen, wenn sie nicht in Streifen geschnitten werden wollten. In jedem Fall würde eine gewaltige Niederlage den Feind demoralisieren und ebenso viel Schaden anrichten wie der Verlust von Territorium und Kämpfern. Belisar kostete den Geschmack des Sieges, honigsüß.
Er würde zu guter Letzt großzügig sein. Es war nicht erforderlich, Hastur diesmal völlig zu vernichten, nur ihn zurückzuschlagen, damit er nicht länger eine Gefahr darstellte und König Damian die Bedingungen seiner Friedensverträge und Bündnisse selbst diktieren konnte. Mit der Zeit würde das Königreich in Groß-Ambervale aufgehen. Dann würde keine andere Domäne mehr es wagen, ihn herauszufordern.
Unten erklang Hörnerschall, vielleicht das Zeichen zum Rückzug. Belisar war sich nicht sicher, weil er die kurze Melodie nicht kannte und sie ihn durch den Lärm der Schlacht nur verzerrt erreichte.
Jedenfalls begannen Hasturs Männer zurückzuweichen. Es waren gute Soldaten, denn statt einfach kehrtzumachen und davonzulaufen, gruppierten sie sich im Rückzug neu. Aus der Art, wie sie sich anordneten, folgerte er, dass sie die Verwundeten in ihre Mitte nahmen. Er bewunderte Männer mit solcher Disziplin angesichts der sicheren Niederlage.
Immer weiter zogen Hasturs Einheiten sich zurück, ihre blausilbernen Wimpel wehten. Ambervale setzte ihnen nach, schloss auf und richtete weitere Verwüstungen an. Belisar hörte abermals Hörner, diesmal seine eigenen, die das blecherne Zeichen zum Angriff gaben.
»Der Tag gehört uns!«, schrie Belisar. Er stieß sein Schwert nach oben, und sein Pferd machte einen Satz nach vorn. Er riss an den Zügeln und führte es im Halbkreis an seine vorige Position zurück.
Beim Wenden sah er kurz Rumails Stirnrunzeln. Sollte er sich doch grämen. Nicht alle Schlachten wurden durch Zauberwerk gewonnen, obwohl es gut war, solche Waffen in Reserve zu haben.
Als Belisar seine Aufmerksamkeit wieder nach unten auf die Felder richtete, erschien ihm etwas seltsam. Lange Zeit konnte er es nicht beim Namen nennen, dann sah er es. Er war so sehr von der Vorfreude auf den Sieg erfüllt gewesen, dass ihm entgangen war, wie bewusst Hastur seinen Rückzug inszeniert hatte.
Sie bewegten sich nicht wie besiegte Männer, die sich darum bemühten, dass sie und ihre Verwundeten am Leben blieben.
Nein, sie bewegten sich zu ruhig, zu geordnet. Ihre Bewegungen erinnerten ihn auf bizarre Weise an eine Tänzerin aus den Trockenstädten, die ihre Kunden verführt, indem sie sich lächelnd zurückzieht und ihnen dabei bedeutet, ihr zu folgen… Die Truppen von Ambervale verfolgten ihre Feinde unter Triumphgebrüll, Flanken und Nachhut zerfasert, die ganze Aufmerksamkeit auf ihr Opfer gerichtet. Sie strömten zwischen den nebelumlagerten Hügeln hervor und ins offene Tal hinab.
Rumail blickte noch einmal zum Himmel, Richtung Wächtervogel, der jedoch in dem Dunst nicht mehr zu sehen war. Als er sich Belisar zuwandte, war seine Miene schreckensbleich.
»Rückzug! Blast zum Rückzug!«
»Wovon redet Ihr?«, sagte Belisar.
Auf einmal begannen Hörner zu plärren, schrill und unheimlich, verzerrt. Ihr Echo erfüllte das Tal. Belisar gefror das Blut in den Adern, als er sie hörte. Er brauchte seine ganze Selbstbeherrschung, um sich nicht die Ohren zuzuhalten. Wenn Zandru und all seine gehörnten Dämonen aufbrächen, hätte dies nicht so schauerlich geklungen.
Unten fielen Hasturs Armeen noch weiter zurück, jetzt sogar schneller. Die Kämpfer von Ambervale unterbrachen ihren Angriff und schauten sich um, als suchten sie nach dem Ursprung des Lärms.
Rumail packte Belisars Unterarm mit eisernem Griff. Sein Atem pfiff durch die Zähne. »Schickt dem Gelben Wolf einen Reiter. Sofort, bevor es zu spät ist.«
Belisar starrte ihn verständnislos an.
»Es ist eine Falle!«, schrie Rumail.
Die Hörner verstummten, und in diesem Moment begriff
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