Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
sie konnten, um den Männern, die mit dem Staub in Berührung gekommen waren, zu helfen.
Verletzungen an Haut und Organen konnten, wenn sie nicht zu ernst waren, recht gut eingedämmt werden. Irgendwann würde dann der normale Heilungsprozess einsetzen. Aber sie spürten alle, wie tief der Schaden wirklich reichte, bis in den innersten Kern ihrer Zellen.
Jeden Tag starben Menschen, unterwegs und im Lager, dann starben weniger und dann gar keine mehr. Viele jener, die krank gewesen waren, gewannen ihren Appetit zurück. Sie hatten alle Gewicht und die Haare auf dem Kopf und im Gesicht verloren, was ihnen das Aussehen von schrumpeligen, abgemagerten Babys gab.
»Keiner dieser Männer sollte mehr Kinder zeugen«, sagte Coryn ruhig zu Caitlin, als er sicher war, dass keiner ihrer Patienten sie hören konnte. Sie waren über den Rand des Lagers hinaus in das kühle Zwielicht gegangen.
Caitlins Augen wurden grau und trüb. »Ich glaube nicht, dass sie das noch können.«
»Herrje - wie kann irgendein Mensch nur solch eine Waffe benutzen?«, rief Coryn. »Es ist doch etwas ganz anderes, wenn man einen feindlichen Soldaten mit dem Schwert oder auch mit Pfeilen angreift. Er ist ein ebenbürtiger Kämpfer, der sich verteidigen oder den Angriff erwidern kann. Das Risiko ist ausgewogen oder doch einigermaßen. Beide haben beschlossen zu kämpfen. Ihre ungeborenen Kinder haben damit nichts zu tun. Aber Deslucido oder irgendein anderer Tyrann kann von einem sicheren Ort aus seine Befehle erteilen, und dann ist das Land auf Generationen hinaus verseucht. Wer weiß, wie viele Unschuldige noch zu leiden haben müssen? Wie nur? Wie kann er so etwas tun?«
Caitlin wandte den Blick ab, ihre Miene über alle Maßen trostlos. »Weil er es kann. Weil er bekommt, was er will - und weil niemand ihn aufhalten kann. Die Hasturs bemühen sich nun schon seit Jahren, die schlimmsten dieser Waffen mit einem Bann zu belegen. Manchmal frage ich mich, ob das überhaupt jemand ernst nimmt.« Sie deutete in Richtung des verseuchten Tals.
»Und doch«, fuhr Caitlin fort, »vielleicht wäre ohne ihre Bemühungen schon alles Routine. Vielleicht hätten die Menschen sich an das Entsetzen gewöhnt und würden nicht mehr davor zurückschrecken. Wer weiß?«
»Vielleicht ist der Krieg ja auch noch nicht schrecklich genug«, sagte Coryn mit jäher Leidenschaft. »Vielleicht besteht die einzige Möglichkeit, ihn zu beenden, darin, den furchtbaren Preis noch weiter in die Höhe zu treiben.«
»Wie meint Ihr das?«
»Ein Freund von mir argumentierte einst, dass die einzige Möglichkeit für kleine, Krieg führende Königreiche, sich Sicherheit zu verschaffen, darin bestehe, dass sich beide mit einer Waffe ausrüsten, die keiner von beiden einzusetzen wagt. In diesem Fall war es Haftfeuer. Was, wenn Deslucido gewusst hatte, dass jeder Einsatz von Laran mit sofortiger Vergeltung geahndet würde?
Hätte er diese Abscheulichkeit, die wir hier vor uns sehen, ebenso bereitwillig eingesetzt, wenn das Ergebnis auf seinem Land das gleiche gewesen wäre?«
»Ich kann nicht glauben, dass das jemand riskieren würde«, antwortete Caitlin. »Es wäre für beide Seiten nichts mehr übrig, um das es sich noch zu kämpfen lohnt. Ich kann nichts - ich will nicht glauben, dass die einzige Möglichkeit darin besteht, alle Königreiche mit so furchtbaren Waffen auszustatten. Früher oder später würde irgendein Narr sie gegen seinen Nachbarn einsetzen, vielleicht aus eingebildeter Selbstverteidigung heraus. Wer weiß, ob es dann damit endet? Kümmert es das Haftfeuer oder den Knochenwasser-Staub, ob es bei Freund oder Feind landet?
Würde der Wahnsinn sich nicht wie ein Flächenbrand von einem Reich ins andere ausbreiten, bis ganz Darkover verzehrt ist? Gibt es dazu denn keine Alternative?«
Coryn starrte in die dunkler werdende Nacht hinaus und betete zu allen Göttern, die gerade zuhörten, dass es eine andere Möglichkeit gäbe.
30
Belisar traf lange vor dem Haupttross seiner auf dem Rückzug befindlichen Armee ein, zusammen mit einer Hand voll Kavalleristen. Männer, die beobachtet hatten, wie er an der Grenze losgeritten war, als wären alle Skorpione Zandrus hinter ihm her, waren ihm gefolgt und zu seiner persönlichen Leibgarde geworden. Als sie das Lager vor den Burgtoren passierten, kreuzten Hunde kläffend ihren Weg. Soldaten hielten in ihrer Tätigkeit inne und starrten die schnaufenden Pferde an, die mit gelbem Schweiß bedeckt waren, die Beine
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