Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
Wache einen Hauch schriller wurde. Er bedeutete dem Pagen, der an der Tür stand, die Person einzulassen, wer immer sie war.
Der Mann hatte einen langen und schweren Ritt hinter sich, wie Damian auf den ersten Blick sah. Der Schmutz von der Reise färbte seinen Lederharnisch und die zerschlissenen Riemen, an denen einst Schwert und Dolch gehangen hatten, dunkel.
Schweiß und geronnenes Blut umrahmten die frischen Narben auf seinem Gesicht. Was Damian erschreckte, als der Mann zitternd auf die Knie sank, war die Mischung aus Grauen und Verzweiflung in seinen weit aufgerissenen Augen. So sah ein Mann aus, der gesehen hatte, wie eine Niederlage sich zur Katastrophe ausweitete und seine Kameraden an Knochenwasser-Staub starben. Doch der Mann vor ihm war kein ungeschlachter Rekrut, sondern ein kampferprobter Veteran.
»Schon in Ordnung«, sagte Damian nicht ganz so schroff. »Ich weiß es bereits.«
Der Mund des Mannes öffnete und schloss sich. Ein Laut drang aus seiner Kehle, halb Keuchen, halb Stöhnen. Er schüttelte den Kopf, und Damian sah die Tränen.
»Vai dom… Lord… !« Der Mann fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht, sichtlich bemüht, nicht nach vorn zu kippen. Im nächsten Moment hatte er sich wieder in der Gewalt, obwohl er Damians Blick mied. Beim Sprechen klang seine Stimme hohl, wie ein Echo aus einem Grab.
»Der Gelbe Wolf ist tot.«
Lange Zeit saß Damian fassungslos da. Nach all den Berichten hatte er so etwas schon vermutet, aber dieser Satz besaß eine schreckliche Endgültigkeit.
»Der General, tot?« Seine Stimme schien einem anderen zu gehören, jemandem, der immun gegen Kummer ist.
»Beim Herrn des Lichts persönlich, ich wünschte, es wäre nicht wahr! Er blieb zurück, um dafür zu sorgen, dass wir sicher davonkommen.« Nun sprudelte es aus dem Mann nur so heraus. »Anfangs wollte ich das nicht zulassen, aber er befahl es mir. Ich folgte den anderen.«
Nun erkannte Damian den Mann, einen der zuverlässigsten Hauptleute des Gelben Wolfs. Die Schlacht und die Verzweiflung hatten seine kantigen Züge entstellt. Sein Name war Ranald Vyandal, und trotz der Armut seiner Familie war er von ehrenwerter Herkunft. Seltsam, dass Damian gerade jetzt daran denken musste.
»Wir konnten dem Staub entkommen, dann wartete ich auf den Gelben Wolf, während die anderen weiterritten. Und jene, die dann kamen, hatten das Gesicht voller Blasen. Manche konnten nur wenige Schritte weit gehen, ohne sich die Eingeweide aus dem Leib zu würgen.« Ranald schluckte, und bei der Erinnerung an das Grauen nahm sein Gesicht die Farbe von gebleichten Knochen an. Damian sah den Tod in seinen Augen, aber ob es der des Mannes oder das Spiegelbild all dessen war, was er mit angesehen hatte, wusste er nicht.
Ranald fuhr fort, als müsste er seine Geschichte unbedingt erzählen, solange es noch möglich war. »Ich wartete weiter. Ganz gegen Ende sah ich in der Ferne nur noch einige wenige, die sich auf den Beinen hielten - zu viert trugen sie ihn. Sie konnten kaum stehen, wollten ihn aber nicht zurücklassen… « Seine Stimme brach, doch nur kurz.
»Er atmete noch, als sie ihn vor mir ablegten. Sein Gesicht war schrecklich verbrannt, seine Lippen geschwärzt. Er blickte mich an und erkannte mich nicht. Er - oh, Dunkle Lady Avarra, sei uns gnädig!«
Ranald schlug die Hände vors Gesicht und unterdrückte ein Schluchzen. »Er war für mich wie ein Vater. Ich hätte… «
Ich hätte an seiner Seite sterben sollen. Oder an seiner Stelle.
Damian zeigte sich erstaunlicherweise gerührt und legte dem Mann die Hand auf die Schulter. Seine Finger strichen über Leder, das von Dreck starrte; er spürte die tiefen, schmerzgepeinigten Seufzer.
Ich habe meinen General und vielleicht auch meinen Bruder verloren, dachte Damian. Mein Sohn ist ein Narr, der zwar Befehle erteilen kann, aber keine Führungspersönlichkeit ist.
»Ich will nichts mehr davon hören. Sterben ist der leichtere Teil!«, sagte Damian. »Du hast deine Pflicht getan, eine sehr viel schwierigere Aufgabe. Du hast mir, deinem König, diese Kunde gebracht.«
»Das… hat mir der Gelbe Wolf noch aufgetragen. Dass ich überleben und Euch erzählen muss, wie sehr er sich bemüht habe. Das waren seine letzten Worte.«
»Und was ist mit dem Laranzu Rumail?«
Ranald kannte sein Schicksal nicht. Er hatte von einem Zauberer in grauer Robe weder etwas gesehen noch gehört.
Damian rief Bedienstete herbei, damit sie sich um Ranalds leibliches Wohl kümmerten, und
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