Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
untrügliches Zeichen dafür, dass der Wanderer allmählich die Verbindung mit seinem physischen Körper verlor. Wenn er nicht schleunigst zurückkehrte, löste sich die Verbindung auf und ließ lediglich eine atmende Hülle auf der materiellen Ebene und das Irrlicht eines Geistes in der Überwelt zurück.
All die Energie und Entschlossenheit, die Taniquel so weit gebracht hatten, wichen vor Coryns Augen aus ihr. Unter seinen Händen wurde ihre Erscheinung immer körperloser, fast so substanzlos wie das hauchdünne Gewand, das ihr Geist geschaffen hatte.
Coryn nahm ihre Hände in seine, als könnte die Wärme sie wieder ins Leben zurückholen. Um seine Finger waren zwei Strähnen tiefschwarzen Haars gewoben. Er drückte sie fest an seine Lippen.
»Finde dich«, sagte er. »Schließ die Augen, halte dich an das, was du bist, denke an nichts anderes. Du bist Taniquel - Königin - Mutter - Geliebte.«
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, ein Augenblick der Erkenntnis. Ihre Wangen röteten sich, und der Umriss ihrer Gestalt stabilisierte sich. Sie faltete beide Hände über den ineinander verflochtenen Haaren, hielt die Augen geschlossen, dunkle Wimpern auf blassrosa Haut, den Kopf leicht zurückgelegt, wie in Erwartung eines Kusses. Sein Körper bewegte sich ohne sein Zutun, wollte sich über sie beugen und die Lippen auf ihren Mund legen, doch er beherrschte sich. Wenn er ihr Leben retten wollte, durfte er nichts tun, was sie noch länger hier zurückhielt.
Coryn… mein Geliebter… bis wir uns wiedersehen… , Taniquels ungesprochene Worte durchzitterten ihn. Und dann verschwand sie, als wäre sie niemals gewesen.
Unruhig ging Coryn im Matrix-Labor auf und ab, wo er mit den Mitgliedern seines Kreises wartete. Nachdem sie eilig zusammen gekommen waren, fehlte jetzt nur noch ihr Bewahrer, damit sie anfangen konnten. Bernardo selbst war zu den Relais gegangen, um zu versuchen, Verhandlungen mit Tramontana aufzunehmen.
Coryn musterte die Gesichter der Mitglieder seines Kreises, angefangen bei Mac, den er so gut wie einen eigenen Bruder kannte, über die zerbrechlich aussehende, lebhafte Amalie und die ernste Demiana bis hin zum silberhaarigen Gerell, der zuerst als Cristoforo-Mönch in Nevarsin und dann in Dalereuth ausgebildet worden war. Insgesamt waren sie sieben, plus Bernardo. Obwohl der Erste Kreis in Tramontana größer war, war Coryn fest davon überzeugt, dass es auf ganz Darkover keine Arbeitsgruppe gab, der er mehr vertrauen konnte. Nicht seit Kierans Tod.
Ohne ein Wort merkten alle wie ein Wesen auf, als draußen auf dem Korridor Bernardos Schritte zu hören waren. Amalie fuhr sich mit den Fingern durch das bleiche Kräuselhaar, eine Geste der Ungeduld. Demiana legte zwei Fingerspitzen auf die Außenseite ihres Handgelenks, suchte ihren Blick und hielt sie fest. Sie schloss die Augen und öffnete sie langsam wieder, als die Spannung aus ihrem Unterkiefer wich.
Fast ohne ein Rascheln seiner scharlachroten Bewahrergewänder betrat Bernardo den Raum. »Sie weigern sich, von ihrem Vorgehen abzuweichen«, sagte er. Selbstverständlich wussten das alle auch so, aber die laut ausgesprochenen Worte drückten eine gewisse Endgültigkeit aus.
»Ist das die Antwort von Tomas, dem Bewahrer des Ersten Kreises?«, fragte Coryn.
»Tomas spricht nicht mehr für Tramontana«, sagte Bernardo polternd. »Rumail hat dort in Deslucidos Namen das Kommando übernommen. Er ist jetzt sowohl Bewahrer als auch Sprachrohr des Königs.«
Coryn zuckte unter dem knisternden Energierenex zusammen, der im Kreis die Runde machte. Diese Leute hatten Rumail gekannt, hatten mit ihm gearbeitet… hatten die schmerzhafte Entscheidung gefällt, ihn auszuschließen und nicht mehr als einen der ihren anzusehen.
»Dann besteht keinerlei Hoffnung auf weitere Verhandlungen«, sagte Mac. Eine Aussage, keine Frage.
»Es war immerhin eine kleine Chance«, meinte Bernardo. »Wir haben uns damit nichts vergeben. Kommt.« Er forderte sie mit ausgestreckten Armen auf, sich zu setzen. Gerell, der Probleme mit dem Rücken hatte und dessen Gelenke von zu vielen langen Wintern als junger Mann in den Hellers steif geworden waren, rückte sich die Kissen auf seinem Stuhl zurecht. »Fangen wir an.«
Coryn wählte die niedrige Bank, die er immer bevorzugte. Ein dünnes Kissen polsterte die hölzerne Oberfläche ab. Er schlug die Beine locker übereinander und saß dann ruhig da. Eine Woge der Entspannung durchflutete seine Muskeln. In dieser
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