Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
gehüllt, das Haar mit Mondsteinen und Granaten verziert, saß sie auf ihrem weißen Pony wie eine übertrieben ausstaffierte Puppe statt wie eine begnadete Leronis.
»Das nächste Mal dürfte ich fällig sein«, seufzte Liane, zog die Füße an und legte die Hände um einen Becher mit dampfendem Jaco. Sie und Coryn hatten es sich auf einem mit Kissen ausgelegten Platz am Fenster gemütlich gemacht, von dem sie die Straße zum Turm im Blick hatten. Sie hatten die ganze Nacht gearbeitet, er an den Relais und sie an den Laran-Batterien, die sie geladen hatte, und waren aufgeblieben, um die Morgendämmerung zu beobachten. Bei Coryns entsetzter Miene fügte sie hinzu: »Du hast doch wohl nicht geglaubt, dass ich für immer hier bleiben kann, oder?«
»Ehrlich gesagt habe ich genau das geglaubt.«
Sie sank zurück, knapp außer Reichweite. »Und ich würde auch nirgendwo anders sein wollen. Dom Kieran… und Lady Bronwyn… und Aran und du… «
»Jetzt werde aber nicht sentimental!«
Liane schob die Unterlippe vor und erinnerte ihn erneut an Kristlin. Immerhin war sie eine zu Höflichkeit erzogene junge Frau aus guter Familie und im heiratsfähigen Alter, die ihrer Familie ein mächtiges Bündnis verschaffen konnte. Genau wie Kristlin.
Lianes Stimme wurde zu einem Flüstern. »Ich wünschte, es gäbe einen Zauber, durch den man diesen Morgen für immer festhalten könnte.« Ihr Blick schweifte wieder zur Straße, auf der wie ein hauchdünner Schleier der Staub von Bettinas Gefolge hing.
Die kleinen Muskeln an ihren Augen spannten sich, als könnte sie in ihre Zukunft schauen.
Auch in Verdanta würde eines Tages für Kristlin die Zeit kommen, ihr Zuhause zu verlassen, mit Juwelen behangen - die Geschenke ihres Bräutigams und seiner Familie -, vielleicht von ihrer Amme Ruella begleitet, wenn die alte Frau noch so weit reiten konnte. Es wäre gut, wenn ihr jemand aus ihrer Kindheit erhalten bliebe, jemand, der sie einzig um ihretwillen liebte, und außerdem jemand, auf den sie noch hörte, wenn sie Königin war.
Königin! Coryn schüttelte den Kopf. Er war seit zwei Jahren nicht mehr zu Hause gewesen, und damals war Kristlin noch ein Kind mit Zöpfen und in Jungenhosen gewesen. Sie musste jetzt dreizehn sein…
Plötzlich wurde er sich bewusst, dass Liane ihn bohrend ansah.
Aran oder Lady Bronwyn und sogar Cathal hätten seinen Gedanken folgen können, doch Lianes Talente lagen woanders. »Ja?«, sagte sie und hielt fragend den Kopf schräg. »Du hast seit fünf Minuten keines der Worte mehr gehört, die ich an dich gerichtet habe!«
»Ich - ich habe an meine jüngste Schwester gedacht. Kristlin, die, an die du mich erinnerst.«
»Die, die Prinz Belisar Deslucido versprochen ist, meinst du wohl«, erwiderte sie.
»Bist du… bist du auch jemandem versprochen?«, fragte er unbeholfen, denn dieses Thema ging eigentlich niemanden etwas an.
»Ach, möchtest du mich vielleicht um meine Hand bitten, um mir das Bett eines Fremden zu ersparen?« Ihre Stimme hatte einen Anflug von Verbitterung. In ihrer gemeinsamen Zeit hatte er mehr als einmal die Hand nach ihr ausgestreckt, und sie war freudig darauf eingegangen, doch es war nie mehr als Trost und das Vergnügen einer Nacht gewesen, die Freunde miteinander teilten.
Verbunden durch ihre Laran-Sensibilität gingen sie unbeschwert und aufrichtig miteinander um, ohne sich vorzumachen, jemals ineinander verliebt gewesen zu sein.
»Du weißt, was mein Bruder davon halten würde«, fuhr sie fort. »Immerhin bist du der besitzlose dritte Sohn eines Nachbarn, über den er nichts Gutes sagen kann. Nein, mein lieber Herzensfreund, dein Platz im Leben ist hier, wie es deinem wahren Talent entspricht. Und meiner… «
»Deiner ist ebenfalls hier. Du bist eine fähige Überwacherin, oder dachtest du, dass Kieran dir nur schmeicheln wollte?« Erst im letzten Winter hatte Kieran Liane die Verantwortung einer voll qualifizierten Überwacherin in seinem Kreis übertragen. Sie gehörte zu den jüngsten seit vielen Jahren, die sich qualifiziert hatten.
»Bitte.« Liane blinzelt eine Träne weg, schob das Kinn vor und wandte sich ab.
Sogleich bedauerte Coryn seine Achtlosigkeit. Sie wollte bleiben, um die Arbeit zu verrichten, die sie so sehr liebte. Ihm stand es frei, hier seiner Berufung zu folgen, sein eigenes Leben nach seinen Vorstellungen im Turm zu führen, ein unerwarteter Vorteil seines Daseins als zusätzlicher Sohn, der vermutlich nie etwas anderes als den Namen seines
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