Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
bisher geweckt wurde.
Vor fünf Jahren hatte Taniquel geholfen, das Begräbnis für Padriks Vater auszurichten, den alten König Ian-Valdir. Sie sollte jetzt wenigstens Nachtwache halten und der Überführung des Leichnams zur Familiengruft beiwohnen. Acosta war zu weit von Hali und dem Rhu Fead entfernt, um Padrik dort in ein unbezeichnetes Grab zu legen, wie es unter dem Comyn Sitte war. Außerdem konnte sie wohl kaum damit rechnen, dass Deslucido sie einfach davonreiten ließ, außer Reichweite und zurück zu ihrer eigenen mächtigen Familie. Nicht wenn er sie wirklich für seinen Sohn als Braut auserkoren hatte.
Morgen, sagte sie sich, würde Padriks Regentschaft ein angemessenes Ende finden. Sie würde ihm Lebewohl sagen und Zeugin sein, wenn seine engsten Freunde und Berater ihre Erinnerungen an ihn teilten.
Und ich. Was soll ich sagen? Sie betete zu allen Göttern, dass ihr etwas über die Lippen käme.
Unterdessen galt es, Vorbereitungen zu treffen, die sich nicht von selbst erledigten. Taniquel stand auf, strich die Falten ihrer Tunika glatt, bedeutete dem Mädchen, ihr zu folgen, und ging zur Tür, doch diese gab nicht nach; das Schnappschloss ließ sich von außen nicht verriegeln, aber es war irgendwie verkeilt.
Sie starrte den Griff an, als hätte er sich plötzlich in eine Eisenschlange verwandelt. Ein erneuter Versuch erbrachte das gleiche Ergebnis. Der Griff ließ sich nicht mehr hinunterdrücken. In einem Anfall jäher Panik hämmerte sie gegen die Tür. »Aufmachen! Sofort aufmachen!«
Die Tür schwang auf. Sie sprang mit rasendem Herzen zurück.
Draußen stand ein junger Offizier, den sie nicht kannte. Das Gesicht über dem Wappenrock mit der schwarzweißen Raute zeigte die Spuren von wenig Schlaf und einem anstrengenden Ritt.
»Vai Domna.« Als er sprach, erkannte sie, dass er nicht mehr so jung war, wie sie gedacht hatte. Die Stimme war fest, die dunklen Augen wachsam und selbstbewusst. Er versperrte die Öffnung mit seinem Körper und drehte sich nur ein wenig, um sicherzustellen, dass er genug Platz hatte, um sein Schwert zu ziehen.
»Sind Sie mein Geleitschutz?«, sagte sie im frostigsten Tonfall, den sie zu Wege brachte. »Ich werde jetzt die Kapelle aufsuchen und dafür sorgen, dass der Leichnam meines Gemahls eine angemessene letzte Ruhestatt findet.« Wie Dein König Damian mir versprochen hat, dachte sie, ohne es jedoch laut zu sagen.
Die Miene des Soldaten blieb reglos, nicht der kleinste Muskel um die Augenwinkel zuckte. »Bedauerlicherweise hat Seine Majestät Euch nicht die Erlaubnis erteilt, diese Räumlichkeiten zu verlassen. Wenn Ihr wünscht, schicke ich ihm eine Note mit Eurer Bitte.«
Eine Note! Mit meiner Bitte! So hat er sich das also gedacht.
Aber ihr blieb nichts anderes übrig, als sich mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte, zurückzuziehen und abzuwarten. Sie war keine hilflose Gefangene, wie Deslucido vielleicht glaubte.
Dieser Teil der Burg, der älteste, wimmelte von geheimen Gängen, die sie und Padrik als Kinder so gern erkundet hatten. Manche waren zufällig im Lauf der Jahrhunderte als Ergebnis von Reparaturen und Anbauten entstanden, doch andere ganz bewusst, dachte sie, als Wege für den jeweiligen Lord, um in aller Stille seine Geliebte besuchen oder seine Berater ausspionieren zu können. Nicht sehr vertrauensvolle Seelen, diese Acosta- Vorfahren.
Aber sie durfte nicht riskieren, dass jemand anderer es vor der Zeit herausfand. Wenn Deslucido seinen Sieg in vollen Zügen genoss und ihr Fehlen nicht sofort bemerkt wurde, hatte sie eine echte Chance zur Flucht. Sie wollte die Gänge geheim halten, bis sie ihrer bedurfte.
Unterdessen würde sie die Gehorsame spielen und mehr über Deslucidos Pläne herausfinden.
Eine halbe Stunde später fand Taniquel sich allein in Padriks Unterkunft wieder, in dem behaglichen Wohnraum, in dem sie seit seiner Krönung zum König so viele Winterstunden verbracht hatten. Verella und Rosalys hatten sie nur bis zum Vorraum begleitet, in den sich auch die Wache zurückzog. Ein Tisch war für das Abendessen aufgestellt worden. Kerzenschein spiegelte sich im Geschirr und in den ziselierten Kupferkelchen.
Taniquel trat zum Tisch und überlegte, ob sie ein Messer in ihrem Ärmel oder Stiefel verstecken sollte, doch da war keines. Ihr blieb nur ein kurzer Augenblick, denn schon platzte mit Sporengeklirr und Stiefelgestampfe Damian Deslucido in den Raum.
Dicht auf den Fersen folgten ihm ein grauhaariger Mann in
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