Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
Ende ihrer Kräfte zu sein. Ihr Frösteln war gewichen, und benommen erkannte sie, dass dies ein Zeichen von Erschöpfung war. Verbissen stapfte sie weiter, rappelte sich nach jedem Sturz wieder auf. Sie wusste nicht mehr, ob das Pferd ihr noch folgte, und es war ihr auch egal.
Dann kam der Moment, als wie ein Schattenriss vor dem dunkleren Hintergrund des Berges der Felsen vor ihr aufragte. Er wirkte regelrecht viereckig. Taniquel brachte keine Kraft mehr für irgendwelche Hoffnung auf. Sie senkte den Kopf und trottete weiter.
Aber je weiter sie sich dem glatten, geraden Gebilde näherte, desto deutlicher wurde ihr, dass es sich um ein Gebäude handelte und bei der Ausbuchtung an einer Seite um einen Verschlag.
Darin erklang das Wiehern eines Pferdes. Ihr Reittier schob sich mit gespitzten Ohren an ihr vorbei.
Sie erkannte die verschwommenen Umrisse einer Tür und von Fenstern, und Streifen gelben Lichts drangen durch die verschlossenen Läden.
Ein Traum. Das musste ein Traum sein. Wärme. Leben.
Sie legte beide Hände, die nun ebenso im Aufruhr der Gefühle zitterten wie vor Kälte, auf den hölzernen Riegel. Die Tür schwang auf. Wärme und Licht umschmeichelten ihr Gesicht. Sie trat ein und wagte es kaum, ihren Augen zu trauen.
Wie die Unterkünfte im heimischen Acosta war auch das ein Steinhaus mit einem einzelnen Raum, mit Vorratstruhen und Betten bestückt - Holzgestellen mit einer Art Sack, vermutlich Stroh gefüllt. Ein Bett war mit Decken bezogen. Ein Feuer, klein, aber wundervoll, tanzte im Kamin. Aus einem schwarzen Eisenkessel drang der Duft von Schmorfleisch und Kräutern. Eine Metallschüssel und ein Löffel erwarteten sie vor dem Feuer.
Entweder bin ich tot, oder ich träume.
Taniquel streifte ihren Mantel ab und ließ ihn gleich hinter der Schwelle als triefnassen Haufen zu Boden gleiten. Sie kniete sich hin, die Hände ausgestreckt. Ihre Finger brannten und prickelten.
Die Wärme fühlte sich auf ihrem Gesicht wundervoll an.
Sie nahm den Löffel, schöpfte eine Portion Eintopf und begann zu essen. Das Fleisch, erst eingelegt und dann in den siedenden Topf gegeben, war noch zäh. Sie kaute nicht groß, sondern schluckte die Stücke einfach hinunter. Die heiße Suppe füllte ihren Magen und wärmte sie von innen heraus.
Sie würde ihre Kleidung auf dem Kamin zum Trocknen auslegen, in sicherer Entfernung von jedem Funkenflug. Die Decken würden sie warm einhüllen. Sie konnte sich hier ein oder zwei Tage ausruhen, denn sicher gab es noch mehr Lebensmittel und auch Futter für das Pferd…
Mit einem Klicken schwang die Tür auf und stieß dann gegen den zerknüllten Mantel. Taniquel schnellte herum und sah eine Gestalt in einem Reitumhang mit Kapuze im Türrahmen stehen.
Einen entsetzten Moment lang glaubte sie, der gespenstische Laranzu aus Ambervale wäre ihr gefolgt. Doch der Umhang war waldgrün, nicht grau.
Der Mann streifte beim Eintreten seine Kapuze nach hinten.
Taniquels erster Eindruck war der von Licht erfüllten grauen Augen, einem Strahlenkranz von ungebärdigem kupferrotem Haar und einer Miene, die von tiefer Sorge gezeichnet war.
»Aldones sei Dank, du bist in Sicherheit«, sagte er. »Ich dachte schon, ich fände dich gar nicht mehr.«
Um Himmels Willen, er verwechselt mich. Der Gedanke entglitt ihr, als der Raum seitlich wegkippte, ihr Sehvermögen schwand und die Beine unter ihr nachgaben.
18
Coryn sprang vor und fing die Frau auf, bevor sie zu Boden sinken konnte. Obwohl triefnass, war sie erstaunlich leicht, als wäre ihre ganze Substanz mit dem Feuer in ihren Augen erloschen und hätte nichts als eine leere Hülle zurückgelassen. Während er sie aufs Bett legte, betrachtete er ihr Gesicht. Die im Kamin züngelnden Flammen erhellten und unterstrichen das porzellanartige Aussehen ihrer Haut, die wogende Masse des mitternachtsschwarzen Haars, die langen Wimpern über den tiefen Augenrändern, blauen Flecken gleich.
Zwei Nächte lang hatte er sie im Schlaf nach ihm rufen hören, ihre Stimme ein Lied, das jeden Schmerz, jede Sehnsucht und jede Angst vertrieb. Er hatte sie mit einer Deutlichkeit und Inbrunst in seinen Träumen schluchzen hören, dass es ihn bis ins Mark erschütterte. Und nun hielt er sie in den Armen, ein Mädchen, das noch nicht einmal zwanzig war.
Er kehrte jäh in die Wirklichkeit zurück. Ihre Finger und ihr Gesicht waren halb erfroren. Er flüsterte, dass er ihr kein Leid antun wolle, während er ihr sanft die Stiefel und nassen Socken mit den
Weitere Kostenlose Bücher