Darkover 05 - Zandrus Schmiede
nicht angegriffen, nicht mehr, seit es so tief im Hastur-Territorium lag. In den Hundert Königreichen herrschte immer noch ein labiler Friede, obwohl es an Feinden nicht mangelte. Aber niemand wagte im Augenblick den Krieg. So viel hatte Carolin bereits von den Generalen seines Onkels erfahren.
Varzil! Was ist passiert? Carolin wünschte sich, er hätte die Ausbildung eines echten Laranzu. Dann hätte er sicher den Geist seines Freundes erreichen können. Mit Orains Hilfe hob er Varzil vor sich in den Sattel. So rasch sie es wagten, ritten sie zum Turm von Hali.
Als Carolin im Sommer zuvor zum ersten Mal den Turm von Arilinn betreten hatte, hatte er das Gefühl gehabt, nach und nach in ein Mysterium einzudringen. Auf den äußeren Hof und das hölzerne Tor folgten der Bogen mit dem Schleier und der schmale ummauerte Aufstiegsschacht. Wie der Turm selbst war auch die Stadt Arilinn aus Verteidigungsgründen von Mauern umgeben. In der kurzen Zeit, die er dort gearbeitet hatte, hatte er sich nie ganz an das Gefühl gewöhnen können, in einer Reihe ineinander verschachtelter Festungen zu leben.
Aber Hali hatte keine Mauern und war weit und offen. Eine Stadt, hatte er immer gedacht, die die Welt ohne Angst willkommen hieß. Eine Stadt, die unter der Prämisse von Frieden errichtet worden war. Aber das stimmte nicht ganz - wie er inzwischen sehr genau wusste. Die Stadt schuf jedoch eine Illusion solcher Ruhe, dass er sich manchmal, wie auch jetzt wieder, fragte, wie es wäre, in einer Zeit zu leben, in der weder einmarschierende Armeen noch mentale Angriffe drohten.
Als sie sich dem Turm näherten, kamen ihnen zwei Männer in den vertrauten, locker gegürteten Gewändern entgegen. Einer von ihnen stellte sich als Überwacher des Ersten Kreises vor.
»Mein Freund… «, begann Carolin.
»Was ist ihm zugestoßen?«, unterbrach ihn der andere Mann. »Wir haben eine heftige Störung aus dem See gespürt.«
»Wir müssen ihn nach drinnen schaffen«, sagte der Überwacher, »wo wir ihn wärmen und angemessen behandeln können.«
Die Kälte war noch Varzils geringstes Problem, dachte Carolin. Er widersprach allerdings nicht, als die beiden Leronyn Varzil nach drinnen trugen. Er folgte ihnen und spürte, wie ihn die übliche Ehrfurcht überfiel, als er durch die äußeren Tore ging. Als Comyn und als Hastur, Nachkomme jenes Hastur, der der Sohn des Aldones, des Herrn des Lichts, war, hatte man ihm bei mehreren Gelegenheiten Einlass zum Turm gewährt, er hatte den Rhu Fead und die heiligen Gegenstände gesehen. Aber er würde das alles wohl nie für selbstverständlich halten. Hali war nicht der älteste Turm auf Darkover und nicht einmal der mächtigste, aber es war ein unvergleichlicher Ort.
Orain stand in der Außenhalle und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Wenn dieser Ort Carolin schon mit Ehrfurcht erfüllte, der dazu geboren war, sich hier aufzuhalten, wie viel furchteinflößender musste er für seinen Pflegebruder sein?
Sie brachten Varzil in ein Gästezimmer und legten in Stoff gewickelte erhitzte Steine um seine Füße und ein Senfpflaster auf seine Brust. Eine Überwacherin, eine hoch gewachsene Frau, deren grauweißes Haar keine Spur der ursprüngliche Farbe mehr zeigte, kam, um zu helfen.
Carolin wurde nach draußen geschickt, um im Flur zu warten. Es gab zwar eine Bank aus schlichtem Holz, das glänzend poliert war, aber er blieb lieber stehen, die Arme vor der Brust verschränkt, die Hände zu Fäusten geballt und in die Achselgruben gesteckt. Tatsächlich hätte er lieber drunten bei Orain gewartet. Dann hätte er zumindest mit jemandem sprechen können.
Was immer Varzil zugestoßen war, welchen Schaden er im See genommen hatte, Carolin wusste, dass es seine eigene Verantwortung war. Wenn er nur nicht auf einem wilden und sorglosen Morgen bestanden hätte! Wenn er nur im Schloss geblieben wäre wie jeder andere vernünftige Mensch mit einem Gefühl dafür, was sich gehörte. Rakhal oder Lyondri wären nicht einfach davonspaziert und hätten das Leben eines Freundes oder dessen geistige Gesundheit aufs Spiel gesetzt. Warum, warum hatte er es für ein so großes Abenteuer gehalten, nach Hali und zum See zu reiten?
Wenn Ihr weiterhin so denkt, haben wir bald zwei Patienten, um die wir uns kümmern müssen, und wem sollte das schon nützen?
Verdutzt fuhr Carolin herum und sah eine schlanke Gestalt, die beinahe lautlos näher gekommen war und jetzt neben ihm stand. Einen Augenblick
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