Darkover 06 - Die Flamme von Hali
hier eindeutig der Fall. Der Junge hätte sich ebenso gut erholt, wenn er von einem… einem Stallburschen behandelt worden wäre.«
Mharis Stimme blieb gelassen, ein Kontrapunkt zur wachsenden Hektik des Arztes. »Auch andere berichten von Sandovals Fähigkeiten - er hat Heilungen vor allem des kranken Geistes vollzogen, die über die Möglichkeiten gewöhnlicher Medizin hinausgehen. Das können nicht alles Zufälle gewesen sein.«
»Nichts als Gerüchte! Ja, ich habe gehört, wie sie in den Dörfern verbreitet wurden. Geschichten, die die Gutgläubigkeit einfacher Leute ausnutzen, haben in der gebildeten Gesellschaft keinen Platz. Ich lehne jede Verantwortung für die Konsequenzen der geringsten Störung von Lady Romillas Behandlung ab! Ich verlange, dass diese Männer sofort entfernt werden und… «
»Papa, bitte! Sie sollen aufhören!«, schluchzte Romilla. »Ich bekomme Kopfschmerzen von diesem Krach!«
»Das genügt«, sagte Lord Brynon mit tödlich leiser Stimme. Er winkte den Wachen, die direkt an der Tür standen. Bevor der Arzt noch weiter protestieren konnte, hatten zwei Männer ihn schon an den Armen gepackt und eskortierten ihn nach draußen. Eduin gestattete sich einen Augenblick zuzusehen, obwohl er sorgfältig darauf achtete, keine Spur von Triumph durch seine geistigen Barrieren dringen zu lassen. Mhari, fiel ihm auf, nutzte ihren Vorteil ebenfalls nicht aus. Stattdessen zog sie eine niedrige Bank ans Bett heran, half Saravio aufzustehen und bedeutete ihm, sich hinzusetzen. Damit etablierte sie ihre eigene Stellung; sie war nicht einfach eine Dienerin, die man wegschicken konnte. Sie mochte dem Lord und seiner Familie dienen, aber ihre Stellung als ausgebildete Leronis verlieh ihr Würde und Rang.
»Mein kleines Mädchen«, murmelte Mhari, »hier ist Dom Sandoval und wird sich um dich kümmern, genau wie du wolltest.«
» Vai Dom , ich bitte um Verzeihung für meinen Ausbruch.« Eduin verbeugte sich vor Aillard. »Es war nur meine Sorge um Lady Romilla, die mich getrieben hat, aber ich weiß, dass es mir nicht zustand.«
Lord Brynon verzieh diesen Bruch des Protokolls mit einem knappen Nicken. Dann wandte er die Aufmerksamkeit wieder seiner Tochter zu, denn Saravio hatte erneut nach Romillas Hand gegriffen.
Saravio murmelte leise und hypnotisch vor sich hin und etablierte erneut Kontakt mit den Wohlbehagenszentren ihres Hirns. Eduin spürte, wie Romillas Verzweiflung schwand, als flösse eine Welle lebendigen Lichts durch die dunklen Flure ihres Geistes. Diesmal jedoch war er auf seine eigene Reaktion gefasst. Er musste rasch handeln, klar denken und die Fassung bewahren. Er konnte es sich nicht leisten, auch nur einen Augenblick dieses Friedens zu genießen. Dieser Dummkopf von einem Arzt hätte beinahe alles verdorben. Eduin schwor sich, dass er sich nie wieder überraschen lassen würde. Wenn er je sein Ziel erreichen und irgendwann frei von dem Bann seines Vaters sein wollte, musste er jeden Gedanken an vorzeitige kurzfristige Belohnungen aufgeben. Er musste zum Instrument seines eigenen Willens werden.
Mhari stand hinter Saravios Bank und schwankte ein wenig -beinahe genug, dass ihr Rock seine Schulter berührte. Sie hatte die Augen geschlossen und den Mund zur Andeutung eines Lächelns verzogen. Saravios Begabung war stark genug, ihre Verteidigung zu durchdringen.
Selbstverständlich, dachte Eduin. Bei ihrer Laran -Empfindsamkeit konnte sie gar nicht anders, als es wahrzunehmen. Außerdem hatte sie erst vor kurzem die Gunst ihres Lords verloren, war vielleicht sogar öffentlich gedemütigt worden. Sie hatte jeden Tag ihrem Versagen gegenübergestanden, sowohl in der Person ihrer kranken Herrin als auch durch den Triumph ihres bombastischen Rivalen. Das von Saravio verursachte Wohlbefinden war sicherlich Balsam für ihre gereizten Nerven.
Nach einiger Zeit sprach Eduin Lord Brynon an. Sie durften Sandovals Kraft nicht überbeanspruchen. Es wäre ratsam, eine weitere Behandlung anzusetzen. Vielleicht am Nachmittag? Gab es einen Sonnenraum in der Burg oder ein anderes helles, angenehmes Zimmer? Konnte Lady Mhari als Anstandsdame und Gesellschafterin dienen, da sie die junge Damisela offenbar gut kannte?
Lord Brynon hielt das für eine hervorragende Idee. Ein Blick auf Mharis verträumte Miene sagte Eduin, dass sie eine fügsame und begeisterte Verbündete sein würde.
Der Sonnenraum war einmal Lady Aillards Lieblingsraum gewesen und lag
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