Darkover 06 - Die Flamme von Hali
solchen Verrat ist mir widerlich.«
Mhari streckte die Hände aus, die Handflächen nach oben. Das blauweiße Feuer ihres Sternensteins blitzte. Sie senkte den Kopf über den Edelstein, als ob sie seine Macht einatmen wollte.
Eduin wappnete sich gegen den ersten Einfluss des Wahrheitsbanns, obwohl er keinen Grund hatte, ihn zu fürchten. Er hatte nichts getan, um irgendwem in diesen Mauern Schaden zuzufügen.
Aber alte Gewohnheiten ließen sich nicht so schnell abstreifen, und er hatte Geheimnisse gehabt, solange er sich erinnern konnte - seine wahre Identität als Sohn des gesetzlosen Laranzu Rumail Deslucido, seine erfolglosen Versuche, Prinz Carolin Hastur zu töten, der nun König war, der Mord an Felicia Leynier, der Kreis, den er illegal zusammengerufen hatte, um den Turm von Hestral zu verteidigen, seine Rolle beim Aufstand am See von Hali… je nachdem, wie die Fragen gestellt wurden, könnte vielleicht deutlich werden, dass er etwas verbarg. Es gab so viel zu verbergen. Wenn man ihn jedoch bedrängte, konnte er sich der Deslucido-Gabe bedienen, wie schon in der Vergangenheit. Und das war das größte und schrecklichste Geheimnis von allen.
Die Leronis begann mit den rituellen Worten, die den Bann aktivieren würden: »Beim Feuer dieses Edelsteins, möge die Wahrheit den Raum, in dem wir hier stehen, erhellen.«
Eduin hatte ein paar Mal gesehen, wie ein Wahrheitsbann heraufbeschworen wurde, und man hatte ihn ausgebildet, es selbst zu tun; er wusste, dass er allein über die Fähigkeit verfügte, einen solchen Bann zu neutralisieren, und dennoch berührte der Prozess ihn auf eine tiefe, wortlose Weise. Aus dem kleinen blauen Edelstein in Mharis Händen entwickelte sich ein Schimmer, der langsam ihre Züge erhellte. Bald schon erfüllte er den ganzen Saal, kroch langsam von einem Gesicht zum anderen, als wäre er ein lebendiges Wesen, das über seine eigene Art von Intelligenz verfügte. Eduin spürte den Schimmer auf seiner Haut, kühl wie poliertes Glas, und sah, wie er Saravio in Zwielicht hüllte.
Das blaue Licht berührte jeden entsprechend seines Wesens und betonte die Essenz der Person. Romilla wirkte, als wäre sie aus Alabaster gemeißelt, ihr Vater sah aus wie ein schroffer Raubvogel. Dom Rodrigos Züge wirkten fleckig, die Falten in seinem Gesicht wurden zu Schluchten der Dunkelheit.
Mhari hob den Kopf. In diesem Augenblick wirkte sie größer und so, als hätte sie tatsächlich ein Recht auf ihren Stolz. »Es ist geschehen, Mylord. Solange dieses Licht scheint, darf hier nur die Wahrheit gesprochen werden.«
»Jetzt werden wir es also herausfinden.« Lord Brynons Stimme wurde lauter, wie entferntes Donnergrollen. Als Eduin das hörte, musste er unwillkürlich an die unnatürlichen Unwetter über Thendara denken, an das Knistern sich herausbildender Blitze, den Geschmack nach Macht in der Luft.
» Dom Rodrigo Halloran, tretet vor.«
Der Arzt nahm sich sichtlich zusammen und entfernte sich von seinen Wachen. Er befeuchtete die Lippen und verbeugte sich tief vor seinem Lord. »Ich bin hier und bereit zu dienen, wie immer meine Fähigkeiten und meine Ausbildung es erlauben.« Er hielt inne, dann fügte er mit einer Spur seiner alten Arroganz und einem Seitenblick zu Saravio hinzu: »Wie ich es stets getan habe.«
»Ihr sagt, Ihr habt stets diesem Haus gedient?«, fragte Lord Brynon.
»Ich habe mich stets um die Gesundheit und das Wohlergehen jedes Angehörigen der herrschenden Familie bemüht.« Das blaue Licht blieb klar und stetig über Rodrigos Zügen.
»Und aller innerhalb dieser Mauern?«
Der Arzt zögerte, bevor er antwortete. »Das kann ich nicht schwören, Mylord, denn ich kenne sie nicht alle. Ich bin durch den Eid meines Berufs gebunden, niemandem Schaden zuzufügen, ganz gleich, wie ich selbst empfinde.«
»Es gibt also niemanden hier unter den Anwesenden, den ihr nicht mögt?«
Dom Rodrigo schwieg.
»Zwinge ihn zu antworten«, rief Romilla und erhob sich halb von ihrem Thron. »Er darf sich nicht hinter Schweigen verbergen.«
»Gibt es hier jemanden, dem Ihr Böses wünschtet? Was ist mit Sandoval, der das Leben des jungen Kevan gerettet hat? Dem es gelungen ist, Lady Romilla zu helfen, nachdem Ihr versagt hattet?«
»Mylord, ich kann nicht… « Rodrigo hob die Arme zu einer flehentlichen Geste. Seine Hände zitterten.
Lord Brynon erhob sich langsam und zeigte auf Saravio. » Habt Ihr
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