Darkover 06 - Die Flamme von Hali
vielleicht der Eile hatte der Arzt den Behälter nicht richtig verborgen, bevor er die Küche verließ.
Eduin blieb vor der Tür stehen, starrte das Tablett an, und der angenehme Duft schien sich nun in giftige Dämpfe zu verwandeln. Viele Arzneien konnten ebenso töten oder verkrüppeln, wie sie heilen konnten, und Dom Rodrigo hatte allen Grund, Saravio aus dem Weg zu räumen. Auf ihre eigene Weise hatte Mhari ihn gewarnt.
Saravio wirkte bleich und hohlwangig. Er seufzte resigniert und griff nach dem Tablett mit dem Essen.
»Nein!«, rief Eduin. Was konnte er sagen? Er war nicht sicher, wie Saravio reagieren würde, aber er konnte ihn auch nicht unwissend lassen. Es mochte durchaus noch einen weiteren Versuch geben, ihn zu vergiften. Er fuhr zurück, zog das Tablett aus Saravios Reichweite, schloss die Augen halb und begann zu schwanken.
»Ja… ja, ich verstehe«, stöhnte er. »O große Naotalba, ich werde tun, was du befiehlst.«
Als er wieder ruhiger stehen blieb und die Augen öffnete, starrte Saravio ihn mit genau dem Ausdruck an, auf den er gehofft hatte.
»Sie hat zu dir gesprochen?«, fragte er Eduin atemlos.
»Sie hat mich gewarnt «, antwortete Eduin. »Vor einer Gefahr in diesem Haus, einem verborgenen Feind.« Er starrte auf das Tablett hinab. »Ein Feind, der versucht, jene zu vernichten, die Naotalba dienen. Mit Gift.«
Saravios Miene wurde entschlossener. »Es gibt in der Tat so viele, die ihren Ruf noch nicht gehört haben… oder ihn nicht hören wollen. Solche Menschen könnten durchaus versuchen, ihren Boten zum Schweigen zu bringen. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie siegen!« Er starrte das Tablett entsetzt an.
»Das werden sie auch nicht«, erwiderte Eduin. »Naotalba wird dich schützen. Sie wird die Verbrecher entlarven. Aber bis dahin müssen wir sie glauben lassen, dass sie gesiegt haben. Du musst dich verstecken, als wärest du krank geworden. Ich werde dieses besudelte Essen zurückbringen und etwas vorbereiten, das du gefahrlos zu dir nehmen kannst.«
Eduin eilte zurück zur Küche und hielt sich dabei aus den Fluren fern, die die Höflinge, darunter auch Dom Rodrigo, benutzten. Die Köchin war gerade dabei, die Pasteten mit Ranken und Blättern aus Teig zu verzieren. Sie sah ihn erstaunt an, als er ihr erzählte, dass Saravio eine Vision gehabt hatte, die ihm befahl, kein Fleisch zu essen, sondern eine Mahlzeit aus Brot, Käse und gedämpftem Gemüse zu sich zu nehmen, und sie wunderte sich noch mehr, als Eduin sie bat, auf das Tablett und das Essen darauf aufzupassen.
»Warum, was stimmt denn mit meinem Essen nicht?« Eduin zuckte unschuldig die Schultern, als wäre auch er verblüfft über die Launen des großen Heilers. »Ich dachte nur, vielleicht will er es später noch essen. Es ist doch kein Problem, es beiseite zu stellen, wo niemand es anrührt?«
»Nein, überhaupt nicht. Die junge Herrin hat häufig etwas zurückgeschickt und erklärt, sie könne es nicht essen, und es sich dann wieder anders überlegt. Ich habe hinten in der Speisekammer ein Regal, wo es schön kühl ist. Nicht, dass der Eintopf ewig halten würde… «
An diesem Abend fragte Dom Rodrigo Eduin nach Saravios Gesundheit. Schuldgefühle umgaben den Arzt wie ein beinahe sichtbarer Nebel.
Eduin setzte eine beunruhigte Miene auf. »Der gesegnete Sandoval ist nicht imstande, sein Zimmer zu verlassen.«
»Ist er krank? Soll ich nach ihm sehen?«, fragte der Arzt. »Wir wollen doch nicht, dass eine so wichtige Persönlichkeit sich schlecht fühlt.«
»Nein, es ist nur eine kurzfristige Verstimmung«, sagte Eduin und versuchte, dabei ein wenig schriller zu klingen, damit es sich anhörte, als wäre er dennoch besorgt. »Es wird ihm bald besser gehen. Da bin ich ganz sicher. Und wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet; ich muss kurz mit Domna Mhari sprechen.«
Als er sich abwandte, fing er eine Spur von Rodrigos Gedanken auf: Ja, geh, und berate dich mit der kleinen Hexe. Sie kann dir nicht helfen, kann sich nicht einmal eine gute Position bei Hof verschaffen. Und für deinen Freund ist es bereits zu spät .
Eduin dachte mit finsterer Heiterkeit, dass es nicht Saravio war, für den es zu spät war.
23
»Ja, ich habe meinen Schlüssel immer noch.« Mhari war überrascht, als Eduin sie am nächsten Morgen nach dem Frühstück fragte, ob sie ihm den Destillierraum zeigen könnte. »Ich habe ihn allerdings seit einiger Zeit nicht
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