Darkover 06 - Die Flamme von Hali
ergattern.«
Dyannis erinnerte sich, wie sie an diesem ersten Mittwinterfest am Hof eingetroffen war und wie sehr die Damen und Höflinge in ihrer Feiertagskleidung ihr Ehrfurcht eingeflößt hatten. Verglichen mit dem schlichten Komfort in Sweetwater und der Nüchternheit des Turms kam ihr der Palast wie ein gewaltiger Traum vor. Sie fragte sich, ob dieser Ort Eduin nicht mit einem romantischen Flair umgeben hatte. Zweifellos hatte sie sich ihm entgegen jeder höfischen Etikette stürmisch in die Arme geworfen.
Als sie dahinritten, genossen Dyannis und Varzil ein gewisses Maß an Privatheit, denn die beiden Wachen, die vorausgeschickt worden waren, blieben in einiger Entfernung vor ihnen, und die Packtiere und das Gefolge trotteten in einer langen Reihe hinterdrein. Obwohl sie wusste, dass sie die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen durfte, zögerte sie.
»Was hast du, Chiya? «, fragte er freundlich.
Sie holte tief Luft. »Ich war so überzeugt, dass dein Verdacht, Eduin spiele eine Rolle bei Felicias Tod und den Angriffen auf Carolin, ein Irrtum sein muss. Ich versuchte, mich an jedes Bruchstück unserer Gespräche, an jedes Detail zu erinnern, nur um zu beweisen, dass du dich täuschst.«
Varzil drehte sich im Sattel ein wenig zur Seite. Sein schlanker Körper bewegte sich mühelos im Rhythmus der Pferdeschritte. Die Augen im Schatten, die Miene ausdruckslos, wartete er darauf, dass sie weitersprach.
Als sie zur mentalen Redeweise wechselte, platzte sie mit der Geschichte heraus, wie sie Eduin Felicias Identität enthüllt hatte.
Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe , schloss sie. Wenn du gewollt hättest, dass ich weiß, wer sie ist, hättest du sicher etwas gesagt. Es war falsch von mir, deine Gedanken zu belauschen - du hast Felicia so sehr geliebt -, aber noch falscher war es, dass ich mein Wissen weitergab .
»Varzil«, sie wandte sich an ihn. »Ich würde alles geben, um diese achtlosen Worte rückgängig machen zu können. Wenn du jetzt, da du weißt, was ich getan habe, den Eindruck hast, ich wäre nicht geeignet, als Bewahrerin im Turm zu arbeiten oder dort überhaupt einen Rang einzunehmen, nehme ich deine Entscheidung an.«
Er starrte geradewegs vor sich auf die Straße; Weiden am Rand warfen ihre Schatten über den Weg. Sie konnte nicht eine Gefühlsregung an ihm wahrnehmen. Schließlich brach er das Schweigen.
»Eines ist sicher, und zwar, dass die Dyannis, die so impulsiv redete, so übereilt handelte, sich nie mit solcher Würde und Beherrschtheit hätte verhalten können wie du, als du deine Verpflichtung übernommen hast, erst deiner Familie gegenüber, dann der Zukunft der Türme und Darkover selbst gegenüber. Wenn du wissen willst, ob du zur Bewahrerin geeignet bist, musst du nach deinen derzeitigen Taten beurteilt werden, nicht nach einem törichten Fehler in der Vergangenheit.«
Sosehr sein Mitgefühl sie auch rührte, konnte Dyannis es doch nicht dabei bewenden lassen. »Dennoch sind wir für diese törichten Fehlen verantwortlich, wenn sie schreckliche Schäden für andere zur Folge haben, oder nicht? Ich bin trotzdem schuld an einer Tat, die schließlich dazu führte… «… dass die Frau, die du liebtest, eine Mit -Leronis, eine Person, die ebenso sehr das Recht hatte, ihr Versprechen zu erfüllen, wie ich, dass diese Frau starb. Wie kann ich danach streben, das zu werden, was sie war, eine Bewahrerin, mit ihrem Blut an meinen Händen?
»Reden wir nicht von Schuld und Wiedergutmachung«, entgegnete er freundlich, »jedenfalls nicht von deiner. Hast du Eduin ein Messer an die Kehle gesetzt und ihn gezwungen, Felicia zu töten, oder Halis Angriff auf Hestral befohlen? Du trägst in keiner Hinsicht die Schuld an seinen Taten.«
»Ich habe leichtfertig gesprochen, ohne an die Folgen zu denken«, sagte Dyannis kläglich. »Hätte ich sie nicht verraten, wäre Eduin vielleicht nie dahintergekommen, wer sie war.«
»Das weißt du nicht. Er war ausdauernd und zäh. Ich glaube, er hätte es irgendwann herausgefunden. Außerdem, woher hättest du wissen sollen, dass er nicht vertrauenswürdig ist? Ihr war einmal Liebende, und er war immer noch ein Laranzu . Nein, lass ihn allein die Verantwortung für die Entscheidung über sein Handeln tragen. Du hast den Schaden, den du angerichtet hast, inzwischen mehr als vergolten.«
Lange Zeit ritten sie schweigend nebeneinander her. Das Land stieg allmählich an, aber
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