Darkover 06 - Die Flamme von Hali
dass sie nun kalt und abweisend wirke. Sie wich vor seinen Annäherungsversuchen zurück, unsicher, wie sie es vermeiden sollte, ihm Schmerzen zu bereiten. Sie fühlte sich ihm gegenüber verwirrter denn je, und sie konnte sich die Ablenkung nicht leisten, die solche Gefühle bildeten, nicht, wenn sie ihr ganzes Augenmerk auf ihre Ausbildung richten musste.
Nacht für Nacht arbeitete Dyannis im Kreis und erlernte die Fähigkeiten einer Unterbewahrerin. Es war nicht unähnlich der Rolle, die sie beim Wiederaufbau der Mauer des Cedestri-Turms gespielt hatte, nur dass sie sich ihres Tuns diesmal voll bewusst war. Wenn sie nicht im Kreis arbeitete, studierte sie mit Raimon oder Varzil. Sie taumelte ins Bett, zu erschöpft, um etwas anderes zu tun, als zu schlafen. Selbst, wenn sie eine persönliche Beziehung mit Rorie gewollt hätte, hatte sie dafür weder Zeit noch Kraft gehabt.
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Lord Brynon Aillard und sein Gefolge stiegen aus den sanften Hügeln von Kirella ins Herz der Ebene von Valeron hinab. Wind fegte über sie hinweg, mit einer Spur des Staubs, der sich über den riesigen Weizen- und Grasfeldern erhob. Als sie eine Rast für ihre Pferde einlegten, stellte sich Eduin in die Steigbügel und bestaunte das endlose wogende Gold, das sich nach allen Seiten erstreckte. So etwas wie Valeron hatte er noch nie gesehen. Ohne die dunklen Linien von Wäldern und Bergen, die den Horizont kennzeichneten, schien das Firmament endlos zu sein. Er hatte das Gefühl, zwischen Himmel und Erde zu schweben.
Manchmal sahen sie Blitze in der Ferne, aber es schien nicht zu regnen. Der Wind drehte sich und brachte den scharfen Geruch von Ozon mit. Eduin spähte nach Norden, zu den Hellers und Richtung Aldaran, wo es angeblich Zauberer gab, die selbst bei blauem Himmel Unwetter heraufbeschwören konnten. Er erinnerte sich an das seltsame Wetter in Thendara in den Tagen vor dem Aufstand am Hali-See. Wie lange das nun schon her zu sein schien, dachte er, und wie viel in der Zwischenzeit geschehen war! Hier, auf dieser schier endlosen Ebene von Valeron, herrschte die Natur, und die kleinlichen Sorgen der Menschen wirkten noch kleiner.
Schon ein paar Tage bevor die Stadt Valeron in Sicht kam, spürte er eine Veränderung in der Luft. Höhe und Struktur der Gräser veränderten sich, und ihre Farbe wandelte sich vom matten Gold der Ebene zu einem Graugrün. Die Pferde kauten auf ihren Gebissstangen und wurden lebhafter. Die Luft schien frischer, feuchter, erfüllt vom Wohlgeruch des Wachsens - Eduin hätte die Pflanzen nicht benennen können, aber sie bewirkten eine subtile Resonanz.
Den ersten guten Blick auf die Stadt erhielten sie kurz vor Sonnenuntergang, als das Licht der großen Blutigen Sonne für kurze Zeit auf die Türme fiel. Es ließ die Stadt, noch weit entfernt am Horizont in der Biegung eines Flusses, glühen wie Kupfer und Messing, Silber und Stahl. Eduin hielt den Atem an und bemühte sich, trotz des hellen Lichts noch mehr zu sehen. Es tat seinen Augen weh, direkt zur Stadt zu schauen.
Saravio, direkt hinter ihm, sagte etwas, aber Eduin hörte die Worte kaum. Plötzlich hatte das Licht sich verändert, und jetzt war nur noch grauer Stein in der untergehenden Sonne zu sehen.
Am nächsten Tag erreichten sie Valeron und Burg Aillard. Hinter ihnen lag die Ebene und vor ihnen weites Marschland, das vom Fluss Valeron durchschnitten wurde. Sie kamen an Armeelagern und einem Feld vorbei, auf dem drei Luftwagen standen, die Seiten mit fettigem Grau, das von Rauch herrührte, überzogen.
Am Tor fragten die Wachen nach ihrem Namen und verlangten, dass sie warteten, während man die Burg benachrichtigte. Dann zogen sie weiter durch eine Stadt, in der sich alle auf das Mittsommerfest vorbereiteten. Girlanden und bunte Fähnchen, viele in den Aillard-Farben Scharlachrot und Grau, hingen von allen Baikonen und über den Hauseingängen. Hausierer und Kaufleute drängten sich in den Straßen und verkauften Blumen, Obst und kleine Körbe mit bunten Bändern, das traditionelle Mittsommer-Geschenk für die Frauen und Mädchen.
Die Burg selbst befand sich auf dem einzigen erhöhten Punkt im Umkreis von Meilen. Von den Zinnen aus, die ebenfalls festlich geschmückt waren, konnte man weit in alle Richtungen schauen. Besonders ein Turm, der nicht Teil des Hauptgebäudes war, erhob sich hoch über die Dächer. Es war, wie Eduin von den Wachen erfuhr, das Heim einer kleinen Gruppe von Leronyn .
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