Darkover 06 - Die Flamme von Hali
haben uns stattdessen entschlossen, ihnen die Möglichkeiten zu einem zweiten solchen Angriff zu nehmen«, fuhr Julianna fort. »Wir haben ihnen genügend Kraft gelassen, um innerhalb ihrer Grenzen die Ordnung aufrechtzuerhalten, denn ein vom Chaos geschütteltes Land entwickelt sich schnell zu einer Gefahr für alle Nachbarländer und wird zu einer Brutstätte für Gesetzlose und Missetäter aller Art.«
Was, wenn Rafael Hastur und seine verfluchte Nichte Königin Taniquel ebenso gedacht hätten? Was, wenn man seinen Vater nicht ins Exil gezwungen hätte? Was, wenn man seinem Onkel und seinem Vetter das Leben und eine Spur ihrer Würde gelassen hätte? Was, wenn er selbst frei gewesen wäre zu tun, was sein Herz und seine Begabung von ihm verlangten?
»Wir haben allerdings nicht damit gerechnet«, sagte Julianna, und ihre Stimme war schärfer geworden, »dass sie Hilfe von außen bekommen würden. Der Turm von Cedestri ist mithilfe Varzils von Neskaya bereits wieder aufgebaut worden.«
»Varzil!«, rief Lord Brynon wie ein Echo von Eduins Gedanken. »Warum sollte ein so mächtiger Bewahrer so etwas für ein unwesentliches kleines Königreich wie Isoldir tun?«
Marelie beugte sich zum Ohr ihrer Mutter. Eduin konnte ihre Worte nicht hören, aber er verstand ihren Sinn. Weil Cedestri irgendwie in der Lage gewesen ist, eine mächtige Laran- Waffe herzustellen, und das gegen König Carolins kostbaren Vertrag verstößt .
»Carolin Hastur will sicherstellen, dass Cedestri so wieder aufgebaut wird, wie er es will«, sagte Julianna, »wie er auch den Turm von Neskaya wieder aufgebaut hat. Zu diesem Zweck hat er seinen Botschafter Varzil von Neskaya geschickt, denn er wusste, dass die Überlebenden des Turmkreises jede Hilfe willkommen heißen würden, ganz gleich, wie hoch der Preis wäre.«
»Der Arm der Hasturs reicht sehr weit«, sagte Lord Brynon. »Der Schatten von Carolins Ehrgeiz fällt auf jedes Land. Warum sonst sollte er versuchen, jeden zu entwaffnen, der ihm standhalten könnte?«
Königin Juliannas Miene wurde hart, ihre Augen glitzerten wie Obsidiansplitter. »Carolin hat vor zwei Sommern einen Boten hierher geschickt und mich gedrängt, den Vertrag zu unterzeichnen. Ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht tun werde. Während der letzten Ratssaison gab es kaum ein anderes Thema, ob die Comyn nun dafür oder dagegen waren. Es ist einfach, über solche Dinge zu reden, solange keine Luftwagen voller Haftfeuer einen bedrohen. Erst dann erkennt man viel zu spät, dass der einzige Schutz in der Möglichkeit zu einem überwältigenden Gegenschlag besteht.«
Gut , dachte Eduin, und der Geist seines Vaters erhob sich, als hätte er Blut gewittert. Die Herrin von Valeron misstraute Carolin und seinem Lakaien Varzil bereits. Dieses Misstrauen zu offener Feindseligkeit aufflammen zu lassen…
Julianna nickte, als stimmte sie sich insgeheim selbst zu. »Dieser Wahnsinn wird mit der Zeit vergehen. Die großen Herren werden zu der ewigen Wahrheit zurückfinden, dass der einzige Weg zum Frieden im Gleichgewicht der Macht besteht.«
Eduin fühlte sich noch weiter von dem Gespräch entfernt. Früher einmal hätte er argumentiert, dass mächtige Waffen wie Haftfeuer und Knochenwasserstaub nicht nur notwendig waren, sondern von den Menschen beherrscht werden sollten, die sie schufen - den Laran -Arbeitern in den Türmen. Nun schienen diese Argumente so flüchtig wie Eintagsfliegen. Es zählte nicht mehr, ob die Türme von Arilinn oder Hali oder Cedestri weiterhin standen und wer dort herrschte. Er war allein inmitten der Asche seiner Träume.
Julianna leitete nun schnell zu den Höflichkeitsfloskeln über, die die Besprechung beenden würden. Eduin war frustriert, denn keine seiner Hoffnungen hatte sich erfüllt. Lord Brynon hatte seine eigenen Anklagen gegen Varzil Ridenow nicht vorgebracht.
Stattdessen gab sich der Lord von Kirella damit zufrieden, sich Königin Julianna unterzuordnen. Vielleicht, versuchte Eduin sich zu trösten, wartete er nur auf eine bessere Gelegenheit. Sie waren erst vor kurzem in Valeron angekommen, und es gab viele andere Dinge, um die sie sich kümmern mussten, nicht zuletzt um das Mittsommerfest.
35
Eduin und Saravio hatten ebenso wie andere Angehörige von Lord Brynons Gefolge Zimmer in dem Flügel erhalten, der in einem der älteren Teile der Burg für Diener des Haushalts reserviert war, eine Reihe kleiner Kammern an einem zugigen Flur.
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