Darkover 06 - Die Flamme von Hali
Namen auszusprechen genügte. Saravio begann zu summen, beinahe zu leise, als dass man ihn hören konnte, aber unter voller Entfaltung seines Talents.
Eduin spürte die ersten Töne wie ein silbriges Prickeln entlang seiner Wirbelsäule. Er hielt den Atem an. Romillas Blick wandte sich nach innen; sie lauschte und öffnete ihr Herz dem, wovon sie wusste, was folgen würde.
» Des Morgens steigt die Lerche auf,
Beginnt damit den Tageslauf,
Flattert durch der Sonne Glut
Und kehrt zurück, die Brust voll Blut… «
Die Worte drangen in Eduins Geist ein, vertraut und dennoch subtil verändert. Nur einen Herzschlag versuchte er, sich von dem bedächtigen Erwachen des Wohlgefühls zu distanzieren. Es begann als tiefe Vibration im Kern seines Körpers, so subtil, dass es mit gewöhnlichen Sinnen nicht wahrzunehmen war. Er nahm sich vor, es nur einen Augenblick zu genießen, schloss sich von der Außenwelt ab und gab sich diesem Gefühl von Glück hin.
Die Welt des Fleisches und der Zeit fiel von ihm ab, und er spürte seinen Körper nicht mehr. Er schwebte auf silbrigem Nebel. Eine Landschaft zeichnete sich rings um ihn her ab, anmutige Bäume, die in ihrem geheimen Tanz schwankten. Gestalten bewegten sich zwischen ihnen, ihre Stimmen verwoben sich mit den trägen Harmonien von Himmel, Bäumen und Regen. Sie wandten ihm ihre strahlenden Gesichter zu…
Die Vision wurde dunkler, als wäre es plötzlich Nacht geworden. Das Letzte, was er sah, waren diese schimmernden Augen, und dann verschwanden auch sie. Er befand sich wieder in seinem Körper, und sein Magen zog sich wie um einen spitzen Stein zusammen. Durst schlug seine Krallen in Eduins Hals, aber es war kein reales Getränk, nach dem er sich sehnte.
Saravio schwieg, und die letzten Spuren seiner mentalen Manipulationen verblassten im Geist seiner Zuhörer. Eduin verfluchte sich, weil er sich so vollständig ausgeliefert hatte.
Romilla hatte die Augen immer noch geschlossen, und er spürte, wie sie den Moment, den Frieden und die Euphorie, die nun nur noch in ihrer Erinnerung vorhanden waren, so lange wie möglich genoss.
Bei Callina sah es anders aus. Sie war zwar empfänglich, konnte aber immer noch misstrauisch werden. Eduin berührte sie vorsichtig mit seinem Laran . Wie er erwartet hatte, war von ihren psychischen Barrieren nicht viel übrig geblieben. Es brauchte nicht viel, um ihr die Idee nahe zu legen, dass das Wohlgefühl und die Entspannung nur von der Schönheit des Lieds und nichts anderem kamen. Es war vollkommen natürlich, auf diese Weise zu reagieren. Der gesegnete Sandoval und sein Helfer sprachen nur die Wahrheit, und man musste ihnen vertrauen.
Einen Augenblick später ließ Eduin sie gehen. Farbe stieg in ihre Wangen. Sie blinzelte. Ein Schauder lief über ihre schmalen Schultern, dann fasste sie sich wieder. »Ich danke Euch«, sagte sie zu Saravio. »Das war sehr interessante… « Sie zögerte ein wenig vor dem nächsten Wort: »Musik.«
»Die Lieder meines Bruders helfen uns allen, in uns hineinzuschauen«, sagte Eduin. »Denn dort können wir, wenn die Götter uns gnädig sind, wahre Heilung finden. Ihr habt den Vorteil einer Turmausbildung genossen; sagt mir, irre ich mich mit dieser Idee?«
»Nein, nein«, antwortete sie rasch. »Ihr habt ganz Recht. Sandoval ist ein ungewöhnlicher Mann, wenn er eine solche Veränderung von Lady Romillas Zustand bewirken konnte. Ich verstehe nun, wieso Lord Brynon Euch so schätzt.«
Eduin neigte den Kopf ein wenig. »Wir dienen, so gut wir können. Ich glaube, es ist eine gute Sache und der Wille der Götter, dass wir gerade jetzt nach Valeron gekommen sind.«
»Die Zeiten sind tatsächlich unruhig«, sagte Callina und stand auf. »Und jede Spur von Hoffnung ist willkommen.«
Romilla warf eifrig ein: »Damals, als ich krank war, konnte ich nicht über den nächsten Tag, nicht einmal über die nächste Stunde hinaussehen. Dank Sandovals Heilkräften bin ich, wie Ihr seht, jetzt wieder gesund und kräftig.«
»Dann werdet Ihr sicher auch bald im Rat Ihrer Majestät sitzen, wie es Euer Recht ist«, sagte Eduin.
»Ja, genau!« Romilla war sichtlich erfreut. »Wenn ich nicht krank geworden wäre, hätte ich das sicher schon vorher getan. Ich werde schon heute Abend meinen Platz einnehmen.«
Callina schien ihre Zweifel daran zu haben. »Wird Euer Vater nicht etwas dagegen haben, wenn Ihr ihn damit praktisch verdrängt?«
Romilla
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