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Darkover 06 - Die Flamme von Hali

Titel: Darkover 06 - Die Flamme von Hali Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley / Deborah J. Ross
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der ihm so oft im Weg gestanden hatte, sondern die fortdauernde Rachsucht seines Vaters. Was ihn selbst geformt, was sein eigenes Leben verzerrt und ihn zu dem gemacht hatte, was er war, ging nun durch ihn in die Statue von Naotalba ein.
   Als Eduin fertig war, trat er zurück und betrachtete sein Werk. Sie war wieder die Frau, die er beim ersten Mal gesehen hatte - menschlich, bedrückt, quälend schön. War es diese Schönheit oder ihr Kummer, der ihm das Herz brach? Er sah zu, wie sie sich ihm zuwandte und ihn mit diesen schimmernden grauen Augen ansah, gleichzeitig blind und alles sehend.
   Naotalba! , rief er und sah zu, wie sie ihm zunickte.
   Eine Stimme schauderte durch jede Faser seines Seins. Ich bin hier. Was willst du von mir?
   Ein Beben zuckte durch das Firmament von Saravios schlummerndem Geist. Ehrfurcht, Erkennen… Entsetzen.
   Eduin stand der Göttin gegenüber, die er geschaffen hatte, und antwortete ihr. Freiheit .
   Farblose Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, in dem keine Spur von Wärme zu finden war. Augen glitzerten wie gefrorener Stahl. Ihr Umhang wehte, als wäre er lebendig, breitete seine schattigen Falten aus. Instinktiv wich Eduin davor zurück. In diesen Schatten wand sich unaussprechliches Begehren wie Rauch.
   Freiheit? , fragte Naotalba. Ich sehe in deinem Herzen, was geschehen muss, damit du endlich frei bist. Du wünschst einen Tod.
   Ja.
   Einen Tod, sagst du, aber es wird viele Tode brauchen, um die Welt wieder richtig zu machen. Willst du das immer noch?
   Das Unrecht war bereits geschehen, bevor ich auch nur empfangen wurde! Der Schrei brach ungefragt aus ihm heraus, aus den tiefsten Nischen seines Geistes. Ich hatte keine andere Wahl, als weiterzumachen! Es gibt keine andere Möglichkeit. Diese Aufgabe, so schrecklich sie ist, wurde mir zugeteilt, ich habe sie mir nicht ausgesucht.
   Wenn du deinen Fuß erst auf diesen Weg gesetzt hast, gibt es kein Zurück mehr . Naotalbas Stimme klang wie das Läuten einer Totenglocke.
   Obwohl er zitterte, als stünde er am Rand eines Abgrunds, nickte Eduin zustimmend. Ich will es, ganz gleich, was es kostet.
   Also gut, du sollst deinen Tod haben.
   Solange ich dadurch Varzil den Verfluchten loswerde, werde ich zufrieden sein .

36
    Dunkelheit erfasste ihn. Einige Zeit wusste er nichts, spürte nichts. Ganz langsam, so wie es an einem nebligen Morgen hell wird, kehrte er zu sich selbst zurück.
   Eduin schwebte an einem Ort, der weder die Überwelt war noch die körperliche Welt, und es war auch nicht diese seltsame Zusammenballung eines Bewusstseins in Saravios schlafendem Geist. Rings um ihn her und in ihm lag eine Welt ohne Sicht, ohne Gehör, ohne Geschmack oder Bewegung. Auf einem unsichtbaren Feld vor sich nahm er Knoten von Gedankenenergie wahr und wusste, dass jeder davon das innerste Bewusstsein einer lebenden Person war. Saravio war ihm am nächsten, Romilla und die Haushalts- Leronis befanden sich ein wenig weiter entfernt. Dann gab es andere, die er nicht erkannte oder als wenig nützlich abtat. Lord Brynons Präsenz war so trüb, das sie kaum erreichbar schien. Königin Julianna war überhaupt nicht vorhanden.
   Eduin spürte eine andere Präsenz, diesmal hinter sich, als schaute ihm jemand über die Schulter. Er konnte beinahe den Atem an seinem Nacken spüren, die Wärme eines anderen Körpers, der nur eine Haaresbreite von ihm entfernt war, das Schlagen eines anderen Herzens.
   So wird es gemacht , flüsterte eine Stimme in seinem Geist. Sie hallte wider, weckte vertrauten Schmerz. Streck dich ein wenig aus, ja, genau, dann drehst du es auf diese Weise, und so hinterlässt du unauslöschlich die Spur deines eigenen Willens .
   So hatte man es mit ihm gemacht. So würde er es selbst machen. Naotalba, die Gestalt, die er aus seinem eigenen Hass geschaffen hatte, stand auf einer Seite, und der Schatten seines Vaters auf der anderen. Unversöhnliche Entschlossenheit und Böswilligkeit durchdrangen ihn, und es schien, als gingen diese Gefühle nicht nur von ihm aus. Er überließ sich ihnen, ergab sich ihnen, gab alle Überreste von Großzügigkeit, Freundlichkeit oder Mitgefühl auf. Niemand hatte ihm je so etwas geboten, und seine Feinde und die Werkzeuge, die er benutzen musste, um sie zu erreichen, hatten solche Nachsicht ohnehin nicht verdient.
   Mach es so… Das Flüstern erklang nun doppelt, als sprächen zwei Stimmen mit einem einzigen Gedanken.
   Eduin

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