Darkover 06 - Die Flamme von Hali
sandte seinen Geist zu Saravio aus. Diesmal waren seine Gedanken nicht wie eine Speerspitze geformt, sondern wie ein Greifhaken mit Krallen, die ihrerseits mit Widerhaken versehen waren. Er schlug diese Widerhaken tief in Saravios Geist.
Wann immer Naotalba erwähnt wird, in Worten oder Gedanken, wird Freude herrschen , befahl er. Aber wenn der Name von Varzil Ridenow von Neskaya, den sie Varzil den Guten nennen, auf den Lippen der Menschen oder in ihren Gedanken auftaucht, soll es Schmerz geben. Schmerz und Angst und bitteren Hass .
Lange Zeit spürte er keine Reaktion und fragte sich, ob Saravios Bewusstsein zu wirr war, um den Befehl akzeptieren zu können. Dann sah er, wie sich der Geist seines Freundes um diese neue, rachsüchtige Naotalba neu formierte. Saravio hatte still dagelegen, gefangen zwischen Ehrfurcht und Entsetzen, und nur darauf gewartet, die Regeln zu vernehmen, die seine Mission erneut zum Leben erwecken würden.
T-t-töte , rasselte der Skorpion, nur dass er diesmal nicht mit der Stimme von Eduins Vater sprach, sondern mit der von Eduin selbst. T-t-töte Varzil .
Eduin sah lange genug zu, um sicher sein zu können, dass Saravio ihm ebenso dienen würde, wie er selbst dem Zwang seines Vaters gedient hatte, mit Gedanken, Taten und Laran . Als er die Augen wieder öffnete, sah er, dass auch Saravio sich rührte.
Saravios Augen glühten in seinem bleichen Gesicht. Seine Lippen bewegten sich, dann formten sie Worte: »Du hattest Recht, Eduin. Naotalba hat unsere Gebete erhört. Sie hat zu mir gesprochen und mir gezeigt, wie ihr Feind zu besiegen ist. Ich muss unter diese Menschen gehen und jede Spur schlechten Einflusses finden. Wirst du mir bei dieser heiligen Aufgabe helfen?«
Eduin lächelte. »Ich bin, wie stets, ihr Diener.«
Etwa eine Stunde später erklang ein leichtes, zögerndes Klopfen an der Tür ihres Zimmers. Eduin öffnete die Tür und fand sich Callina gegenüber. Sie hatte ihr Feiertagskleid aus hellgrauem, an den Ärmeln und dem bescheidenen Ausschnitt mit Schneelilien besticktem Stoff gegen eins der weiten Gewänder getauscht, wie sie in allen Türmen zur Arbeit getragen wurden. Für jede andere Frau wäre es skandalös gewesen, mitten in der Nacht an die Tür eines Mannes zu klopfen. Callina trug ihre Unschuld wie eine Rüstung.
Eduin verbeugte sich und trat beiseite, damit sie hereinkommen konnte.
»Es tut mir Leid, Euch zu stören, aber ich habe im großen Saal nach dem gesegneten Sandoval gesucht und konnte ihn nicht finden.« Ihr Blick zuckte zu Saravio. Schmerz und Hoffnung strahlten von ihr aus.
»Mein Kind«, murmelte Eduin und nahm ihre Hand.
Trotz des warmen Abends waren ihre Finger wie Eis. Er hatte zwar nicht vorgehabt, ihre Gedanken zu lesen. Aber die körperliche Berührung stellte eine telepathische Verbindung zwischen ihnen her. So lebhaft, als hätte sie ein Porträt gemalt, sah er das Gesicht eines jungen Mannes, erst lachend, dann ernst, mit Zügen, die denen Callinas ähnelten, und einem hell in der Morgensonne blitzenden Schwert in der Hand. In dem Bild umarmte der Mann Callina, und Eduin wusste, es war die Erinnerung der jungen Frau an das letzte Mal, als sie ihren Zwillingsbruder lebendig gesehen hatte.
Die Dunkelheit, die er schon zuvor bei ihr gespürt hatte, stieg wie eine Flut. Die Verbindung zwischen Zwillingen hatte ihren Laran -Blick verstärkt, und so war sie im Geist mit ihm geritten, hatte das Blut und die Asche des Schlachtfelds gerochen, hatte gespürt, wie das Schwert in seine Seite drang, als wäre es ihre eigene gewesen. Allein in ihrem Zimmer im Turm zusammengerollt, hatte sie jeden Augenblick seines langen, schwärenden Todes mit erlitten.
Darin streiften ihn Fragmente anderer Erinnerungen, zerbrechlich wie Mariposa -Flügel. Er spürte die Berührung des Geistes ihres Bewahrers, spürte väterliche Sorge.
» Armes Ding, diese Schlacht mit ansehen zu müssen, wo du viel zu zart und mädchenhaft bist, um solchem Gemetzel ausgesetzt zu werden! Frauen sind für solche Arbeit zu empfindsam .«
Die gleiche Stimme sprach dann laut weiter und erklärte, dass Callina Temora verlassen und eine einfachere Stellung finden musste, wo sie unter Frauen war und keine anstrengenderen Pflichten hatte, als Schlaftränke zuzubereiten und Kinder auf Laran zu prüfen. Mit der Zeit und mit viel Ruhe würde sie sich erholen.
Dann kam das Heimweh, eine Einsamkeit, die sich wie ein Krebs in
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