Darkover 06 - Die Flamme von Hali
sah, dass sie den Stein bereits aus der Fassung des Medaillons genommen hatte, als hätte sie erwartet, gerufen zu werden.
»Beschwört den Wahrheitsbann herauf«, sagte Julianna, »und wir werden beweisen, wer sein Angebot ernst meint und wer es wagt, mit Verrat im Herzen vor uns zu treten.«
»Im Licht dieses Steins… «, begann Callina mit ihrer hellen Mädchenstimme, die Worte des Rituals zu rezitieren. Obwohl Eduin die Worte nur durch Romillas Traumerinnerung hörte, schauderte er. Er hatte nie selbst in offizieller Funktion einen solchen Bann heraufbeschwören müssen, der die Gesichter aller mit blauem Licht überzog, das erlosch, wenn jemand nicht die Wahrheit sagte. Aber Eduin hatte schon in diesem Licht gestanden und war durch die psychische Manipulation geschützt worden, die sein Vater als die Deslucido-Gabe bezeichnete.
Von Callinas Sternenstein ging helles, blaues Licht aus und breitete sich von einem Gesicht zum nächsten aus, bis es den gesamten Raum umfasste. Es brachte die ungeweinten Tränen in Dom Ronals Augen zum Glitzern und wusch die Farbe aus den Wangen der Königin, sodass sie wie eine Marmorstatue wirkte. General Marzans zerklüftete Züge nahmen einen raubvogelhaften Ausdruck an.
Erwartungsvolles Schweigen senkte sich über den Raum, als Ronal von Isoldir aufstand und seine Absichten wiederholte und den Eid auf Julianna ablegte. Er stand gerade aufgerichtet da, den Kopf stolz erhoben, obwohl schließlich doch Tränen über seine blassen, bläulich schimmernden Wangen flossen, sodass alle sehen konnten, dass das blaue Licht des Wahrheitsbanns nicht auch nur im Geringsten flackerte.
Bei seinen Worten breitete sich beinahe fühlbare Erleichterung im Raum aus. Selbst Julianna wurde weicher. So unmöglich es schien, der Mann meinte es ernst.
Frag nach Varzil , drängte Eduin lautlos. Dann erinnerte er sich daran, dass diese Ereignisse nicht in der Gegenwart stattfanden, sondern bereits Erinnerungen waren, unvollkommen wiedergegeben durch Romillas träumenden Geist.
Du bist so dumm, Julianna, trotz all deiner Schwüre und Verträge! Wenn du nur wüsstest, wie einfach es ist, unter dem Wahrheitsbann zu lügen, das eine zu sagen und eine andere Wahrheit im Herzen zu halten… Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, sicher zu sein, und die besteht darin, jedem, der dein Feind sein könnte, die Kehle durchzuschneiden .
Aber sie wusste das nicht, und er wagte nicht, es ihr zu sagen. Das Geheimnis musste gewahrt bleiben.
Die Traumbilder zerrissen wie feine Gaze im Wind, als Romilla unruhig wurde. Eduin sah nur noch Fragmente von Juliannas Gesicht, als sie ihrerseits versprach, Isoldir ehrenhaft zu behandeln.
Wieder einmal schien der Erfolg Eduin zu entgleiten. Noch während Romillas Erinnerungsfetzen verblassten, wurde ihm klar, dass Julianna Varzil als den Mann betrachten würde, der dem Konflikt mit Isoldir ein Ende gemacht hatte. Vielleicht zog sie sogar ein Bündnis mit Hastur in Erwägung. Er, Eduin, würde von Feinden umgeben sein. Verzweifelt fragte er sich, ob er vielleicht General Marzan überreden konnte, eigenmächtig vorzugehen und einen Präventivschlag gegen Varzil in Asturias zu führen. Vielleicht mithilfe der Gemahlin des Generals… nein, Marzan würde sich Julianna niemals widersetzen.
Eduin konnte sich auf niemanden verlassen. Irgendwie musste er eine Möglichkeit finden, die Königin zu überzeugen, dass Varzil nicht nur gefährlich, sondern ein Verräter war, dass er keinem Vernunftargument gegenüber zugänglich war, sondern getötet werden musste, bevor sein tückisches Gift sich noch weiter ausbreitete.
Er warf sich tief in Romillas erwachendes Bewusstsein und benutzte dabei alle Macht seines ausgebildeten Larans . Er erfüllte Romillas Denken und Empfinden mit seinem eigenen Geist, in dem sein Vater immer noch den Zwangsbann auf ihn ausübte.
Julianna muss die Wahrheit erfahren, und nur der gesegnete Sandoval kann sie ihr durch seinen Helfer mitteilen.
Ich höre , spürte er Romillas Gedanken schwach. Ich höre und gehorche.
Dann sage der Königin Folgendes: Du glaubst, dass Varzil seine wahren Absichten hinter einem Schleier von Lügen verbirgt. Er ist wahrscheinlich bereits dabei, sich eine schreckliche Laran- Waffe zu verschaffen, die bei weitem schlimmer ist als Haftfeuer oder sogar Knochenwasserstaub. Aus diesem Grund hat er auch geholfen, den Turm von Cedestri wieder aufzubauen. Aus diesem Grund
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