Darkover 06 - Die Flamme von Hali
sah jetzt so anders aus, als sie sich durch die am Boden liegende Menge drängte. Stimmen erhoben sich ringsumher, stöhnten, weinten, riefen Namen, die sie nicht kannte. Ihr Geist war immer noch offen, und die Überreste ihrer Angst schauderten durch ihre Gedanken.
Als Dyannis näher kam, richtete sich die Frau auf, ihre Miene ausdruckslos, als hätte das Entsetzen dieses Tages alle menschlichen Gefühle weggebrannt. Gerissene, bleiche Lippen bewegten sich einen Augenblick, bevor sie einen Laut hervorbrachte.
» Dämonenbrut - lasst uns in Ruhe! «
»Ich bin hier, um zu helfen«, sagte Dyannis, ging an der Frau vorbei und kniete sich neben den Mann.
»Ihr… Solche wie ihr haben doch noch nie… «
Unter den weißen Bartstoppeln war die Haut des alten Mannes weißlich grau. Dyannis legte die Fingerspitzen auf ein Handgelenk und spürte das dünne Zucken seines Pulsschlags. In diesem kurzen Augenblick des Kontakts wurde die Haut jedoch bereits dicht und starr. Dyannis griff mit einer Hand nach ihrem Sternenstein, legte die andere flach auf die Brust des Mannes und konzentrierte ihre Laran -Sinne. Wie ein winziger Fleck von Bewusstsein tauchte sie durch die Schichten grob gewebten Tuchs, durch erschöpfte Muskeln und Rippenbögen. Dort in der lichtlosen Wärme seines Körpers, kämpfte das Herz, Muskelfasern streckten sich, zogen sich zusammen wie Mäuse im Schatten eines Falken, und jede bewegte sich nach ihrem eigenen verzweifelten Rhythmus.
Dyannis wusste genug, um zu erkennen, was hier geschah, und wie wenig Zeit ihr blieb. Wie jeder andere Novize in Hali war sie zunächst als Überwacherin ausgebildet worden und hatte im Lauf der Jahre viele Male als Heilerin gearbeitet, aber nie in einem so dringlichen, komplizierten Fall wie diesem. Sie konnte ein blockiertes Blutgefäß säubern, konnte mehr Sauerstoff zu dem Gewebe bringen, das es nährte, aber es lag jenseits ihrer Fähigkeiten das zu tun und gleichzeitig den normalen Rhythmus des Herzens wiederherzustellen. Beide Probleme jedoch würden dem Mann, wenn sie nicht behandelt wurden, das Leben kosten.
Ellimara! Ellimara! , rief sie und hoffte, dass das junge Mädchen imstande sein würde zu antworten und sich noch nicht in einer Heilerverbindung mit einem anderen Verletzten befand. Ellimara, hilf mir!
Sie kann ihren Patienten nicht verlassen , erklang Varzils ruhige geistige Stimme. Ich werde dir so gut helfen, wie ich kann!
Dyannis sah ohne aufzublicken, dass Varzil im Augenblick zwar erst zum sandigen Ufer des Sees aufstieg, im Geist aber bereits in jeder Hinsicht, die zählte, an ihrer Seite stand.
Sie senkte ihre Barrieren, damit er alles sehen und spüren konnte, was sie sah und spürte. Wir müssen sein Herz anhalten , sagte Varzil, und von vorn beginnen .
Ja, das war sinnvoll. Sie sammelte die mentale Macht, die durch sie verlief, genauso wie sie zuvor den Rest der elektrischen Spannung in der Luft gesammelt hatte, und ließ sie durch das Herz des alten Mannes laufen. Das zufällige Zucken der Muskelfasern hörte auf und verringerte geringfügig den dunklen Fleck sterbender Zellen. Dyannis wartete einen Augenblick, bis sie sicher war, dass alle Bewegung aufgehört hatte und das Herz vollkommen ruhte. Hier entlang . Varzils Macht begleitete sie, als hätte er sanft die Hand auf ihre gelegt. Sie sandte einen Blitz von Energie durch das Herz des alten Mannes, oben beginnend, wo auch die Kontraktion normalerweise beginnen würde. Varzil kam hoch und unter sie, fuhr durch sie hindurch, trug sie weiter, wie eine Seewelle bei einem Sturm. Sie wartete einen Augenblick und dann noch einen, lauschte und hoffte. Kein Zucken, keine Spur von Bewegung antwortete ihr. Sie stieß ihren Geist tiefer hinein und war sich quälend bewusst, dass mit jeder Sekunde, die verging, die Lebenskräfte des Mannes schwanden. Mit ihrem inneren Blick sah sie das Herz nicht als festen Gegenstand von der Größe ihrer Faust, muskelrot und sich von oben nach unten verjüngend, sondern als Schichten von Licht. Licht, das immer trüber wurde. Ein- oder zweimal glaubte sie, einen schwachen Schimmer zu erblicken, wie den Schweif eines Kometen, aber es war niemals mehr als das.
Noch einmal! , rief Varzil.
Obwohl ein Teil von ihr jammerte, dass der alte Mann bereits tot war, dass alles Weitere hoffnungslos sein würde, sammelte sie ihre Kraft für einen zweiten Versuch. Ohne Varzils Beharrlichkeit, ohne seine geistige Kraft,
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