Darkover 06 - Die Flamme von Hali
Nachmittag, und das Zimmer war angenehm hell. Ein kleines Feuer flackerte im Kamin. Drei Sessel standen davor. Raimon saß auf seinem Lieblingssessel, dessen Holz so alt war, dass es schwarz wirkte. Seine bleichen Hände ruhten auf den Armlehnen.
Varzil, der auf dem zweiten Sessel saß, lächelte zum Gruß. Dyannis setzte sich auf den dritten und fand, dass diese ganze Situation zu gemütlich für eine ernste Anhörung wirkte. Vielleicht hätten sie vor, sie zu beruhigen, damit sie ihre Schuld leichter eingestehen konnte.
» Chiya , schau nicht so grimmig drein«, sagte Varzil liebevoll, nachdem die üblichen Floskeln ausgetauscht waren. »Geht es dir immer noch schlecht, weil du so schwer gearbeitet hast?«
Dyannis schüttelte den Kopf. Sie hatte ihre Laran -Schilde fest an Ort und Stelle und sprach laut, wie sie es auch getan hätte, wenn man sie vor die Cortes gebracht hätte.
»Bitte spielt nicht mit mir, vai Tenérezi . Ich hoffe, dass ihr in dieser Hinsicht gnädig mit mir seid, obwohl ich ansonsten wirklich keine Gnade verdient habe.«
Sie spürte ein Flackern, als Varzil und Raimon sich kurz im Geist austauschten. Die beiden mussten spüren, dass Dyannis sich gegen jeden telepathischen Kontakt abgeschirmt hatte. Sie hatte sehr früh nach der Katastrophe beschlossen, das zu tun, als die Erkenntnis ihrer Verbrechen noch frisch war. Sie hatte ihr Laran missbraucht und musste deshalb ihr Urteil ohne die damit verbundenen Privilegien entgegennehmen, weil sie ihrer Begabung nicht würdig war.
Varzil zog die Brauen hoch, und sie fragte sich, ob er trotz ihrer Barrieren eine Spur ihres Gedankens aufgefangen hatte. Er war vielleicht der mächtigste Telepath der Gegenwart, und zweifellos der irritierendste. Im Hinblick auf Varzil Ridenow waren die herrschenden Comyn in zwei Gruppen gespalten: Jene, die ihn mit wilder Begeisterung unterstützten, und die anderen, die ihm den Tod wünschten. Nun lehnte er sich zurück und wandte seine Aufmerksamkeit Raimon, dem Bewahrer des Turms, zu.
»Dyannis, wir haben nicht vor, dich zu quälen«, sagte Raimon mit seiner ruhigen, leisen Stimme. Er hatte eine Ruhe an sich, eine Klarheit des Geistes, die Dyannis wieder einmal an die Geschichten über sein Chieri -Blut erinnerte. »Und wie du zu Recht angenommen hast, haben wir dich hierher gebeten, um mit dir über die Ereignisse bei dem Angriff am See zu sprechen.«
Sie holte tief Luft, wappnete sich unwillkürlich gegen das, was folgen würde. »Es ist nicht notwendig, die Anklagen gegen mich aufzuzählen. Ich habe, seit es geschehen ist, jede wache und schlafende Stunde mit ihnen gelebt. Ich gestehe, dass ich mein Laran entgegen meinem Schwur und entgegen allen Turmprinzipien benutzt habe, um in die Köpfe gewöhnlicher Menschen einzudringen und sie zu unterdrücken.« Sie hielt inne und versuchte, sich zu fassen. »Mit dem Ergebnis, dass drei Menschen ihr Leben verloren und unzählige andere Schäden davongetragen haben, unter denen sie für den Rest ihres Lebens leiden werden.«
»Du verurteilst dich also selbst?«, fragte Raimon.
»Kann ich es denn anders sehen?« Am liebsten hätte sie beschämt den Kopf hängen lassen, aber sie zwang sich, den Blick des Bewahrers stetig und ohne Blinzeln zu erwidern.»Varzil, ich habe deinem Pakt bisher eher gedankenlos zugestimmt. Nun, da ich gesehen habe… , da ich weiß, was ich getan habe, weiß, was es bedeutet, werde ich… « Ihre Stimme brach. »Ich habe unsere höchsten Ideale verraten. Ich… Verzeiht mir, ich verdiene nicht… «
»Das reicht jetzt«, unterbrach Raimon sie in einem Ton, der Dyannis an Ellimaras Tadel erinnerte. »Offenbar befinden wir uns in der einzigartigen Situation, dass der Richter versuchen muss, die Angeklagte von der Möglichkeit ihrer Unschuld zu überzeugen. Dyannis, wir verstehen, dass du bereust, was du getan hast. Das ist nur natürlich, und es spricht für dich. Eine Person mit geringeren Skrupeln hätte den Vorfall beiseite geschoben und nur den Ruhm beansprucht, aber nichts von der Verantwortung wissen wollen. Aber es ist ebenso falsch, das Gegenteil zu tun.«
Dyannis brauchte einen Augenblick, um begreifen zu können, was Raimon da gesagt hatte. Wollte er etwa behaupten, dass an ihren Taten etwas Ruhmreiches war? Was sollte das sein, fragte sie sich verbittert, der Ruhm des Berserkers? Die Ehre eines Metzgers? Man hätte ebenso gut den Heldenmut eines Banshee auf der Jagd preisen
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