Darkover 06 - Die Flamme von Hali
Brombeersaft und knuspriges Brot. Und über diese unzähligen Eindrücke senkte sich dann ein Schleier aus Staub, von dem jeder Partikel schwach grün leuchtete. Der Staub klammerte sich an Blatt, Stein und Dach, löste sich in Bach und Fass, ein farbloser Film, ein Hauch von Schatten.
Während Dyannis weiter durch diese drei entsetzten Augenpaare schaute, verklang das Lachen der Kinder, das Lächeln der Mütter wich schrillem Klagen, als sie die eingesunkenen Gesichter und geschwollenen Bäuche ihrer Babys sahen. Das üppige reife Gold von Weizen und Gerste verblasste zu Asche, Blätter rollten sich auf und fielen von verdorrten Zweigen. Ein Pferd stolperte, die Rippen deutlich sichtbar unter einem mit schwärenden Wunden bedeckten Fell, brach in die Knie neben dem von Ratten angefressenen Kadaver eines Hundes und rührte sich dann nicht mehr. Eine welke Alte hockte vor einer kalten, leblosen Feuerstelle, kaute auf einem Streifen Leder, immer noch in das Brautgewand eines jungen Mädchens gehüllt. Im nächsten Augenblick war sie nichts weiter als ein Haufen weißer Gebeine, unbestattet und unbetrauert unter dem sterilen Licht eines einzelnen Mondes.
Hinter der Vision spürte Dyannis einen tieferen Schatten, einen, den weder Varzil noch die Piloten aus Isoldir sich vorgestellt hatten. Eine Frau, ihr Gesicht nichts weiter als ein aschgrauer Schimmer, in Nacht gehüllt, beobachtete, wartete, hungerte…
In die dröhnende Stille, die folgte, erklangen Varzils sanfte, gnadenlose und unendlich traurige Worte: Das ist es, was ihr bringt, und nicht nur für Aillard, sondern auch für Isoldir. Für jedes Land. Ich flehe euch an, lasst uns weiterziehen. Kehrt in Frieden nach Hause zurück. Verbreitet diesen Wahnsinn nicht weiter .
Lange Zeit kam keine Antwort. Die Luftwagen blieben weiter in Formation, schienen aber langsamer zu werden. Plötzlich drehte der erste bei und flog zurück.
Selbst in Isoldir haben wir von Varzil dem Guten gehört, der König Carolins Pakt predigt. Wir glaubten, so etwas sei Wahnsinn und würde bedeuten, unseren einzigen Vorteil aufzugeben und dem Feind unbewaffnet gegenüberzustehen. Aber es gibt Dinge, die schrecklicher sind als Niederlage und endgültiger als Tod. Ich kann nicht für andere sprechen, aber ich will nichts mit dem zu tun haben, was Ihr uns gezeigt habt.
Ich bin bereit, für mein Land zu sterben , sagte der zweite, die mentalen Worte geprägt von Widerstreben. Aber ich bin nicht bereit, ein solches Schicksal über andere zu bringen, nicht einmal über die Aillards .
Dyannis drückte sich die Hände auf die Wangen, spürte ihre Tränen heiß und feucht. Entgegen aller Vernunft, entgegen aller Hoffnung drehten sie bei! Es gab keinen Grund, wieso sie diese kleine Truppe nicht vernichten und dann weiter ihren Auftrag ausführen sollten, aber sie hatten zugehört - und hatten Varzil geglaubt!
Der erste Luftwagen war bereits auf dem Rückweg nach Isoldir, der zweite setzte dazu an zu wenden. Lady Helaina brach in Tränen aus. Die Hastur-Soldaten umarmten einander und tanzten. Dyannis wäre am liebsten vom Pferd gesprungen, um mitzumachen. Sie wollte lachen, sie wollte jauchzen. Sie wandte sich ihrem Bruder zu und wollte die Freude mit ihm teilen.
Varzil jedoch schaute weiter nach oben, folgte dem Weg des dritten Luftwagens, des Wagens, aus dem nur Schweigen kam. Er flog weiter auf seinem tödlichen Kurs, vorbei an ihnen und auf das Aillard-Territorium zu.
Rowland, bist du verrückt? Bedenke doch, was du tust! , erklang es aus dem ersten Wagen.
Solange ich lebe, wird Isoldir wenigstens einen loyalen Sohn haben! , lautete die Antwort.
Dyannis sah zu, wie der dritte Luftwagen schneller wurde und in der Ferne verschwand, und sie rief: »Können wir denn nichts tun, um ihn aufzuhalten?«
»Selbst wenn wir die Aillards in ihrer Festung in Valeron benachrichtigen könnten, damit sie ihn abschießen, würde ich das nicht tun«, erwiderte Varzil leise. »Denn für sie würde das nur die Notwendigkeit solcher Waffen beweisen.«
Wir werden unseren Kameraden nicht verraten , sagte der erste Pilot.
Das würde ich auch nicht von Euch verlangen , erwiderte Varzil. Und mit Eurer Erlaubnis werde ich jetzt weiterziehen und mit den Leuten im Turm von Cedestri sprechen.
Wir werden zurückkehren und Euren Besuch ankündigen , sagte der Pilot.
Ich danke Euch für Eure Freundlichkeit , erwiderte Varzil.
Möget Ihr in der
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