Darkover 10 - Die zerbrochene Kette
ich wünsche den Tag herbei, wo alle Frauen auf unserer Welt die Freiheit, die wir - die Gilde - uns genommen haben, durch das Gesetz erhalten statt durch Revolte und Entsagung. Aber ich weiß jetzt, daß viele Frauen in einem Leben, wie ich es führe, nicht glücklich wären.« Sie hockte auf dem Fenstersitz, die Knie unter das Kinn gezogen, das kurze Haar verwirrt, und sah wie ein halbwüchsiges Mädchen aus. Sie hielt ein Stück Band in der Hand und wickelte es, während sie sprach, geistesabwesend um ihre Handgelenke. »Rohanas Frauen - sie denken an nichts als Heirat. Der Gedanke an ein anderes Leben, als sie es führen, schockiert und beunruhigt sie. Sie finden es schrecklich, wie die Männer außerhalb des Hauses Arbeiten anzunehmen, für die sie die Kraft und die Fähigkeit hätten. Lieber dienen sie eine Zeitlang in einem Großen Haus. Und dann heiraten sie einen Mann, den ihre Familie ausgesucht hat, was Lanilla Ende des Winters tun wird. Ich fragte sie, wie ihr Zukünftiger sei. Sie antwortete, das wisse sie nicht, und meinte: ›Kommt es darauf an?‹ Ihr ist es genug, daß sie ein eigenes Heim und einen Ehemann bekommt. Möchtest du einmal heiraten, Margali?«
Magda erinnerte sie freundlich: »Ich war verheiratet.«
»Aber nur kurze Zeit…«
»Als ich heiratete, wußte ich nicht, daß es nur für kurze Zeit war.« Magda durchfuhr der alte Schmerz. Sie hatten so viele Pläne für eine gemeinsame Zukunft gemacht!
»Sag mir: Wenn du ein Kind gehabt hättest, wärest du dann bei ihm geblieben? Glaubst du, das könne ein unzerreißbares Band sein?«
»Meine Mutter war dieser Meinung«, antwortete Magda sinnend. »Sie folgte meinem Vater auf vier verschiedene Welten. Dann kamen wir hierher, und ich wurde geboren, und sie machte immer einen zufriedenen Eindruck.«
»Zufrieden allein damit, ihm ein Heim zu bereiten? Ist das eine Art im Imperium?«
»Sie war Musikerin«, berichtete Magda. »Sie spielte mehrere Instrumente und schrieb Lieder. Auch hat sie viele Berglieder in die Standardsprache des Imperiums übersetzt und Melodien für Gedichte auf casta komponiert. Aber mein Vater war immer der Mittelpunkt ihres Daseins. Nach seinem Tod verlor sie alle Lebensfreude und befaßte sich nur noch selten mit ihrer Musik. Sie lebte nicht mehr lange.«
»Als Rohana Dom Gabriel heiratete, hatte sie ihn erst zweimal gesehen«, sagte Jaelle nachdenklich. »Ich fand es fürchterlich, einem Mann überantwortet zu werden, den man kaum kennt, mit ihm zu schlafen, seine Kinder zu gebären. Das ist doch nichts Besseres als legitime Sklaverei oder Vergewaltigung! Aber als ich Rohana das sagte, lachte sie mich aus und behauptete, jeder Mann und jede Frau könnten, solange sie nur Gesundheit und den guten Willen mitbrächten, miteinander auskommen und sich das Leben angenehm machen. Sie pries sich glücklich, daß er anständig und freundlich und um sie bemüht sei, kein Trunkenbold oder Spieler oder Liebhaber von Männern, wie es so viele Ardais sind. Mir kam das so vor, als freue sich ein Mann, der Schläge mit einem Stock bekommen hat, darüber, daß es keine Pferdepeitsche war…« Immer noch wickelte sie das Band abwechselnd um ihre Handgelenke. »Und nun ist er in Wahrheit der Mittelpunkt ihres Lebens. Ich verstehe das nicht, obwohl er mir mit den Jahren sympathischer wird. Andererseits glaube ich manchmal, daß Rohana ebensoviel Freiheit hat wie eine von uns, daß sie tut, was sie will, und auf wenig verzichtet hat…«
Sie zog eine feste Schlinge um ein Handgelenk und begann, das lose Ende um den anderen Arm zu winden. »Margali, hast du dir ein Kind gewünscht? Warum hast du keins? Du bist doch nicht unfruchtbar, breda? «
»Ich wollte das Kind nicht gleich«, antwortete Magda. »Wir reisten zusammen; es sollte uns nichts trennen.« Es war Anlaß zu einem erbitterten Streit gewesen. Sie wandte das Gesicht ab. Daran konnte sie auch jetzt noch nicht ohne Qual zurückdenken.
Jaelle berührte leicht ihre Hand. »Ich wollte nicht neugierig sein.«
Magda schüttelte den Kopf. »Später, als wir übereinkamen, uns zu trennen, war ich froh, kein Kind zu haben, das mich erinnert hätte… «Aber hätten wir uns dann getrennt? Die Berührung von Jaelles Hand verstärkte den Kontakt, und Magda ertappte sich bei dem Gedanken: Ist sie schwanger? Glaubt sie, sie sei es, wünscht sie sich, es zu sein? Doch alles, was sich von Jaelle auf sie übertrug, war… Einsamkeit, Angst.
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