Darkover 16 - Die Winde von Darkover
auf den Tisch klappern.
»In die Wache können sie nicht herein«, sagte Colryn; sicher klang es nicht. Danach taten sie nur noch so, als äßen sie, und es dauerte nicht lange, da ließen sie Essen und Geschirr einfach auf dem Tisch stehen und zogen in den verriegelten und verrammelten Hauptraum der Wache. Das Schreien und Heulen ging weiter, anfangs weit entfernt und mit Pausen, dann unausgesetzt und nahe. Barron sah vor seinem geistigen Auge einen Kreis aus hochgewachsenen gefiederten Gestalten, die in einem verrückten Tanz um den Gipfel tobten.
Colryn machte den Versuch, den Lärm mit einem Lied zu übertönen, aber seine Stimme erstarb bei der ersten Strophe.
Die Nacht rückte weiter vor. Kurz vor Eintritt der tiefsten Dunkelheit begann das Hämmern und Poltern. Es hörte sich an, als werfe sich ein schwerer Körper wieder und wieder gegen die gesicherten Türen und schreie dazwischen vor Schmerz und wahnsinniger Wut. Als es einmal angefangen hatte, ging es immer weiter, bis die Nerven der Männer zu zerreißen drohten.
Larry sagte leise in der Dunkelheit: »Wie sie wohl wirklich aussehen? Ein Jammer, daß sie nur dann aus dem tiefen Wald hervorkommen, wenn sie verrückt sind - und wir nicht mit ihnen kommunizieren können.«
Gwynn erwiderte mit grimmigem Humor: »Ich werde die Tür öffnen, wenn du dich in ein bißchen nichtmenschlicher Diplomatie versuchen willst.«
Larry erschauerte und verstummte. Colryn schlug vor: »Oben im Schleifraum ist ein Glasfenster. Wir könnten von da einen Blick auf sie werfen.«
Gwynn weigerte sich, von Grausen gepackt, und ebenso ging es den anderen Feuerwächtern. Nur Colryn, Larry und Barron stiegen zusammen die Treppe hinauf. So hatten sie doch etwas zu tun. In dieser Höhe war das Fenster nicht mit Läden geschlossen oder verbarrikadiert worden. Sie zündeten die Lampe nicht an, denn sie wußten, das Licht würde die heulenden Nichtmenschen draußen anziehen. Die Hände um die Augen gelegt, spähten sie durch das Glas.
Sie hatten geglaubt, draußen werde es dunkel und stürmisch sein, aber es herrschte heller Mondschein. Das war eine der seltenen Nächte auf Darkover, wo Regen und Nebel die Monde nicht auslöschen. Die Luft schien mit wirbelndem Staub gefüllt zu sein, durch den sie die Ya-Männer sahen.
Sie waren riesengroß, mindestens neun Fuß, und wirkten wie hochgewachsene, klapperdürre Männer mit Federkopfschmuck, bis man ihre Gesichter sah. Ihre großen Köpfe mit den fürchterlichen Schnäbeln ließen an seltsame Raubvögel denken, und sie bewegten sich mit einer täppischen Geschwindigkeit wie die vom Wind geschüttelten Baumäste, die am Rande der Lichtung auf- und niederpeitschten. Es mußten drei Dutzend da sein, vielleicht mehr. Nach einer Weile wandten die Männer sich wie in stillschweigender Verabredung von dem Fenster ab und stiegen die Treppe wieder hinunter.
Barron wollte ihnen erst folgen, blieb dann aber zurück. Von neuem machte sich das Fremde in ihm breit. Etwas in seinem Gehirn, das wie ein Thermostat funktionierte, sagte ihm, der Geisterwind habe seinen Höhepunkt überschritten. Das Tosen des Sturms und das Heulen der Nichtmenschen ließen keine Veränderung erkennen, aber er wußte es.
Sie werden lange vor Sonnenaufgang verschwunden sein. Der Wind wird nachlassen, und dann wird es regnen. Auf Darkover reisen des Nachts nur die Wahnsinnigen und die Verzweifelten, und ich bin vielleicht beides, verzweifelt und wahnsinnig .
Ein Krachen und Ausrufe von unten verrieten ihm, daß unter dem Angriff der Nichtmenschen ein Außengebäude zusammengebrochen war. Er ging nicht hinunter, um nachzusehen; das war nicht seine Angelegenheit. Mit leisen, automatenhaften Bewegungen trat er in der Dunkelheit an die Kommode, die seine Kleidung enthielt. Er zog die dünnen Sachen aus, die er im Haus zu tragen pflegte, und lederne Reithosen, ein dickes gewebtes Hemd und eine schwere Jacke an. Er schlüpfte in Colryns Zimmer und nahm sich dessen schweren, pelzgefütterten Mantel. Vor ihm lag ein langer Weg, und ein Mantel war besser als eine Jacke. Es tat ihm leid, daß er ein Pferd stehlen mußte, aber wenn er am Leben blieb, würde er es zurückgeben oder dafür bezahlen, und wenn nicht… Er dachte an das Sprichwort der Bergbewohner: »Wenn die Ewigkeit kommt, wird alles verstanden und vergeben sein.«
Er lauschte. Der Wind wurde entschieden schwächer. In einer Stunde würde der Zwang, unter dem die
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