Darkover 17 - Die blutige Sonne
zurückgeblieben, aber sie hat Witz genug, herumzulungern und mit diesem jungen Söldner zu schwatzen, Zandru kratze sie alle! Lilla! Beeil dich, zeig der guten Frau hier ihr Zimmer, hol Waschwasser, kümmere dich um ihre Satteltaschen!«
Später ging Kindra in die Gaststube hinunter. Wie alle Gildenfrauen hatte sie gelernt, sich unauffällig zu benehmen, wenn sie allein war. Eine einzelne Frau forderte zumindest Fragen heraus, deshalb reisten sie für gewöhnlich in Paaren. Das wiederum rief hochgezogene Augenbrauen und gelegentlich dreckige Bemerkungen hervor, verhütete aber die sehr unerfreulichen Annäherungsversuche, denen sich eine allein reisende Frau auf Darkover aussetzte. Natürlich vermochte sich jede Frau der Gilde selbst zu schützen, wenn es über rohe Worte hinausging, aber das konnte Schwierigkeiten für die ganze Gilde mit sich bringen. Besser war es, sich auf eine Weise zu verhalten, die das Problem so klein wie möglich hielt. Deshalb setzte Kindra sich allein in eine winzige Ecke neben der Feuerstelle und behielt die Kapuze auf - sie war weder jung noch besonders hübsch -, trank ihren Wein, wärmte ihre Füße und tat nichts, was die Aufmerksamkeit irgendeines Anwesenden auf sich ziehen konnte. Es schoß ihr durch den Kopf, daß sie, die sich eine Freie Amazone nannte, in diesem Augenblick größeren Beschränkungen unterworfen war als Janellas hin- und herlaufende junge Töchter, die vom Dach ihrer Familie und der Anwesenheit ihrer Mutter beschützt waren.
Sie beendete ihre Mahlzeit und rief nach einem zweiten Glas Wein, zu müde, die Treppe zu ihrem Zimmer hinaufzusteigen und, falls sie es tat, zu erschöpft, um einzuschlafen.
Ein paar von Brydars angeheuerten Degen saßen um einen langen Tisch am anderen Ende des Raums, tranken und würfelten. Sie waren eine gemischte Mannschaft; Kindra kannte keinen von ihnen, aber Brydar selbst war sie schon verschiedentlich begegnet und hatte einmal sogar zusammen mit ihm den Schutz einer Handelskarawane auf dem Weg durch die Wüste zu den Trockenstädten übernommen. Sie nickte ihm höflich zu, und er grüßte sie, zollte ihr jedoch keine weitere Aufmerksamkeit. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, daß ihr nicht einmal ein höfliches Gespräch willkommen war, wenn sie sich in einem Raum voller Fremder befand.
Einer der jüngeren Söldner, ein junger Mann, groß, bartlos und gertenschlank, mit kurzgeschnittenem ingwerfarbenem Haar, erhob sich und kam zu ihr. Kindra machte sich auf das Unvermeidliche gefaßt. Wenn sie mit zwei oder drei anderen Gildenfrauen zusammen gewesen wäre, hätte sie sich über harmlose Gesellschaft, einen Umtrunk und ein Gespräch über die Gefahren der Straße gefreut. Aber eine einzelne Amazone trank nicht mit Männern in öffentlichen Wirtschaften, und, verdammt nochmal, das wußte Brydar ebenso gut wie sie.
Einer der älteren Söldner mußte sich mit dem grünen Jungen einen Spaß erlaubt und ihn angestachelt haben, seine Männlichkeit durch einen Annäherungsversuch bei der Amazone zu beweisen, damit er und die anderen über die Abfuhr, die ihm bevorstand, lachen konnten.
Einer der Männer blickte auf und machte eine Bemerkung, die Kindra nicht verstand. Der Junge knurrte etwas, eine Hand an seinem Dolch. »Paß auf, du… !« Er benutzte ein gemeines Schimpfwort. Dann trat er an Kindras Tisch und sagte mit leiser, heiserer Stimme: »Einen guten Abend wünsche ich Euch, ehrenwerte Meisterin.«
Verblüfft über die höfliche Phrase, aber immer noch auf der Hut, antwortete Kindra: »Euch ebenfalls, junger Herr.«
»Darf ich Euch einen Becher Wein anbieten?«
»Ich habe genug zu trinken gehabt«, sagte Kindra, »aber ich danke Euch für das freundliche Angebot.« Irgend etwas, das nicht ganz stimmte, etwas beinahe Feminines in dem Betragen des Jünglings ließ sie aufhorchen, und dann war auch sein Vorschlag nicht das Übliche. Die meisten Leute wußten, daß Freie Amazonen sich Liebhaber nahmen, wenn sie es wollten, und nur zu oft legten manche Männer das so aus, daß jede Amazone jederzeit zu haben sei. Kindra war erfahren darin, versteckte Annäherungsversuche abzubiegen, ehe es zu einer offenen Frage und Ablehnung kam; bei direkteren Versuchen kam sie ohne viel Höflichkeit aus. Aber das war es nicht, was dieser Junge wollte. Sie merkte es, wenn ein Mann sie mit Begehren ansah, ob er es in Worte kleidete oder nicht. Und obwohl das Gesicht dieses jungen Mannes bestimmt Interesse
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