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Darkover 17 - Die blutige Sonne

Titel: Darkover 17 - Die blutige Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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zurückgerufen hatte.
   Benommen setzte er sich auf und fuhr sich langsam mit der Hand über die Augen. Seine Hand wurde naß von kaltem Schweiß - oder von Tränen? Verwirrt schüttelte er den Kopf. Er war nicht in dem mit vagen Schreckensgestalten gefüllten hohen Raum. Er war in der Steinhütte der alten Matrix-Technikerin. Das Feuer in der Kohlepfanne war heruntergebrannt, und das Zimmer war dunkel und kalt. Er konnte die Frau gerade eben sehen. Sie war zusammengebrochen. Ihr Körper lag über dem Tisch und dem Weidenrahmen. Er war gekippt, und der Kristall war auf die Tischplatte gefallen. Aber jetzt war kein blaues Licht mehr darin. Dort lag nur noch ein graues, lebloses Stück Glas.
   Verärgert und verwirrt blickte Kerwin auf die Frau nieder. Sie hatte ihm etwas gezeigt - aber was hatte es zu bedeuten? Warum hatte er geschrien? Vorsichtig fühlte er nach seiner Kehle. Er mußte sich heiser geschrien haben.
   »Zum Teufel, um was ging das alles? Ich nehme an, der dunkle Mann war mein Vater. Aber wer waren die anderen?«
   Die Frau bewegte sich nicht und antwortete nicht. Kerwins Gesicht verfinsterte sich. Betrunken? Betäubt? Nicht gerade sanft schüttelte er sie an der Schulter. »Was war das? Was hatte es zu bedeuten? Wer waren die Leute?«
   Mit alptraumhafter Grazie glitt die Frau langsam aus ihrem Sessel und fiel seitwärts auf den Fußboden. Kerwin fluchte. Er flankte über den Tisch und kniete neben ihr nieder. Aber er wußte bereits, was er entdecken würde.
   Die Frau war tot.

Kapitel 6: Wieder ins Exil
Kerwins Kehle tat ihm immer noch weh, und ihm war nach einem hysterischen Anfall zumute.
   Alle Türen werden mir vor der Nase zugemacht!
   Dann sah er voll Mitleid und mit schmerzlichem Schuldbewußtsein auf die Frau nieder. Er hatte sie in diese Sache hineingezogen, und jetzt war sie tot. Diese unbekannte, unschöne Frau, deren Namen er nicht einmal kannte, und er hatte sie in das geheimnisvolle Schicksal verwickelt, das ihm auf den Fersen war.
   Er blickte auf ihre Matrix, die grau und leblos auf dem Tisch lag. War sie gestorben, als die Frau starb? Vorsichtig nahm er seine eigene auf und steckte sie in die Tasche. Von neuem betrachtete er mit Bedauern und nutzloser Reue die tote Frau. Und dann wandte er sich ab und rief die Polizei.
   Sie kamen, Darkovaner der Garde in ihren grünen Uniformen mit Kreuzgürteln, hier auf Darkover etwa das, was anderswo die Stadtpolizei gewesen wäre. Sie waren gar nicht glücklich darüber, einen Terraner vorzufinden, und sie ließen es merken. Widerstrebend, mit steifer Höflichkeit erlaubten sie ihm, einen terranischen Konsul holen zu lassen, bevor sie mit der Vernehmung begannen - ein Privileg, auf das Kerwin lieber verzichtet hätte. Es war ihm gar nicht angenehm, daß das HQ erfuhr, er habe hier unten Nachforschungen betrieben.
   Sie stellten ihm Fragen, und dann gefielen ihnen die Antworten nicht. Kerwin hielt nichts zurück, ausgenommen die Tatsache, daß er eine eigene Matrix besaß, und den Grund, warum er bei der Frau Rat gesucht hatte. Aber an der Leiche der Frau waren keine Male zu sehen, sie war offenbar nicht sexuell belästigt worden, und ein terranischer und ein darkovanischer Mediziner gaben unabhängig voneinander das Urteil ab, sie sei an einem Herzanfall gestorben. So ließen sie Kerwin am Ende gehen, doch sie eskortierten ihn bis zum Rand des Raumhafens. Dort verabschiedeten sie sich auf eine bestimmte grimmig-offizielle Art, die eine deutliche Warnung enthielt: Sollte er noch einmal in jenem Teil der Stadt auftauchen, würden sie für nichts, was geschehen mochte, verantwortlich sein.
   Das war der Gipfel aller Enttäuschungen gewesen, dachte Kerwin. Am Ende einer Sackgasse hatte er nichts gefunden als eine tote Frau. Allein in seinem Zimmer lief er wie ein wildes Tier im Käfig auf und ab, durchlebte die Szene immer wieder und wieder und versuchte, einen Sinn darin zu erkennen.
   Verdammt noch mal, es steckte Absicht dahinter! Irgend jemand oder irgend etwas war entschlossen , ihn an der Erforschung seiner eigenen Vergangenheit zu hindern. Der Mann und die Frau, die sich geweigert hatten, ihm zu helfen, hatten gesagt: »Es steht uns nicht zu, uns in die Angelegenheiten der vai leronis einzumischen.«
   Das Wort war ihm nicht bekannt. Er versuchte, es sich aus seinen Bestandteilen zusammenzusetzen. Vai war natürlich der ehrerbietige Zusatz, der etwa würdig oder ausgezeichnet bedeutete. Zum Beispiel

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