Darkover 20 - Das Schwet des Aldones

ein Kostümfest. Dem Brauch gehorchend, trug ich eine schmale Halbmaske. Sonst hatte ich keinen Versuch gemacht, mich zu verkleiden. Ich stand an einem Ende der langen Halle und unterhielt mich gleichgültig, nur mit halbem Ohr hinhörend, mit zwei jungen Männern des terranischen Raumdienstes. Sobald es sich höflich machen ließ, entschuldigte ich mich. Dann blickte ich auf die vier kleinen Monde hinaus, die über dem Gipfel schon fast in Konjunktion standen.
   Hinter mir flammte die große Halle vor Farben und Kostümen, die jeden Winkel Darkovers und fast jede bekannte Form menschlichen oder halbmenschlichen Lebens im ganzen Terranischen Imperium widerspiegelten. Derik glänzte in der goldenen Robe eines arturischen Sonnenpriesters; Rafe Scott hatte die Maske, die Peitsche und die Klauenhandschuhe eines Kifirgh -Duellanten angelegt.
   In der Ecke, die der Tradition nach für die jungen Mädchen reserviert war, saß Linnell mit einer sternenbesetzten Maske, die sie alles andere als unkenntlich machte. Ihre Augen leuchteten vor Glück darüber, daß alle Blicke an ihr hingen. Als Comynara war sie jedem auf Darkover bekannt, aber sie traf selten mit jemandem zusammen, der nicht zu dem engen Kreis von Cousins und wenigen ausgewählten Gefährtinnen gehörte, die einem Mädchen der Comyn-Hierarchie erlaubt sind. Maskiert konnte sie jetzt mit völlig Fremden sprechen und sogar tanzen, und die Aufregung war fast zuviel für sie.
   Neben ihr erkannte ich Kathie, ebenfalls maskiert. Ich wußte nicht, warum sie hier war, aber schaden konnte es schließlich nichts. Sie war hinter der Bypass-Schaltung, die ich in ihr Gehirn eingebaut hatte, sicher verbarrikadiert, und es gab wahrscheinlich keine bessere Methode, ihr zu beweisen, daß sie keine Gefangene war, sondern ein geehrter Gast. Ihrer Ähnlichkeit mit Linnell wegen würde man sie einfach für eine Angehörige des Aillard-Clans halten.
   Ich trat zu ihnen, und Linnell lachte mich an.
   »Lew, ich bringe deiner Cousine von Terra ein paar von unseren Tänzen bei. Stell dir vor, sie kannte sie nicht.«
   Meine Cousine. Das war vermutlich Callinas Idee. Jedenfalls erklärte das ihren scheußlichen terranischen Akzent. Kathie sagte freundlich: »Ich habe nie Tanzunterricht gehabt, Linnell.«
   »Keinen Tanzunterricht? Ja, was hast du dann gelernt?« fragte Linnell ungläubig. »Tanzt man auf Terra nicht, Lew?«
   »Der Tanz«, dozierte ich, »ist integraler Bestandteil aller menschlichen Kulturen. Er ist eine Aktivität, die von den Gruppenbewegungen der Vögel und Anthropoiden abgeleitet ist und auch eine soziale Kanalisierung des Paarungsverhaltens darstellt. Bei quasimenschlichen Rassen wie den Chieri wird der Tanz zu einer der Trunkenheit ähnlichen Ekstase. Menschen tanzen auf Terra, auf Megaera, auf Vainwal, ja, vom einen Ende der zivilisierten Galaxis zum anderen, soviel ich weiß. Falls du mehr darüber erfahren willst: Vorlesungen über Anthropologie werden in der Stadt abgehalten; ich bin nicht in der Stimmung dafür.«
   Ich wandte mich an Kathie und hoffte, den richtigen vetterlichen Ton zu treffen. »Sollen wir es statt dessen mal probieren?«
   Während wir tanzten, erklärte ich Kathie: »Natürlich konntest du nicht wissen, daß Tanzen hier eins der wichtigsten Unterrichtsfächer für Kinder ist. Linnell und ich haben tanzen gelernt, sobald wir laufen konnten. Ich hatte nur die Grundausbildung, aber Linnell hat seitdem immer weiter studiert.« Ich warf einen liebevollen Blick zu Linnell zurück. »Auf Terra bin ich ein- oder zweimal zu einer Tanzveranstaltung gegangen. Findest du unsere hier auf Darkover so anders?«
   Ich sah mir das terranische Mädchen genau an. Warum hatte ein Duplikat Linnells die Eigenschaften, die wir für die uns bevorstehende Arbeit brauchten? Kathie, soviel war mir inzwischen klar geworden, hatte Mut und Verstand und Taktgefühl. Andernfalls wäre sie nach dem Schock, den sie erlitten hatte, nicht hier erschienen, um die ihr stillschweigend zugewiesene Rolle zu spielen. Und Kathie hatte eine weitere seltene Eigenschaft. Sie schien gar nicht zu merken, daß mein linker Arm, der um ihre Taille lag, sich von den linken Armen anderer Männer unterschied. Ich habe mit Mädchen auf Terra getanzt. Es ist nicht selbstverständlich.
   Scheinbar unzusammenhängend sagte Kathie: »Wie süß Linnell ist! Es ist, als sei sie wirklich meine Zwillingsschwester; ich habe sie vom ersten Augenblick an geliebt. Vor