Darkover 21 - Sharras Exil
»Ein Junge ist er kaum«, warf Regis ein. »Lew ist sechs Jahre älter als ich, also Mitte zwanzig. Es ist nichts als recht und billig zu warten, bis er über den Tod seines Vaters hinweggekommen ist und sich von der Reise erholt hat. Kennard erzählte mir einmal, dass die meisten langen Reisen unter schweren Betäubungsmitteln gemacht werden müssen. Aber wenn er das überwunden hat… «
Hastur öffnete den Mund zum Sprechen, doch bevor er etwas sagen konnte, meldete Javanne: »Das Essen steht auf dem Tisch. Sollen wir hineingehen?« Sie nahm den Arm ihres Mannes. Regis folgte mit seinem Großvater. Ein kleiner Tisch im Nebenzimmer war mit einem eleganten Tuch und dem feinsten Geschirr gedeckt worden. Javanne gab auf das Nicken ihres Großvaters hin das Zeichen, dass serviert werden könne, und goss Wein in die Gläser. Aber Gabriel sagte, während er sich die Serviette über die Knie breitete: »Meiner Meinung nach ist Lew gesund genug.«
»Er hat nur eine Hand. Kann er die Garde als Krüppel befehligen?«
»Auch dafür gibt es eine Reihe von Präzedenzfällen«, antwortete Gabriel. »Vor zwei oder drei Generationen führte Dom Esteban - er war mein und auch Lews Urgroßvater - zehn Jahre lang den Befehl über die Garde vom Rollstuhl aus, nachdem er den Gebrauch seiner Beine im Krieg mit den Katzenwesen verloren hatte. Und dann war die Lady Bruna, die das Schwert ergriff und damals, als der Erbe noch ein Säugling war, eine bemerkenswerte Kommandantin abgab… « Er zuckte die Schultern. »Lew kann sich mit einer Hand ankleiden und für sich sorgen - das habe ich selbst gesehen. Und sonst - nun, er ist einmal ein verdammt guter Offizier gewesen. Falls er wünscht, dass ich den Befehl über die Garde behalte - nun, er ist das Oberhaupt meiner Domäne, und ich werde tun, was er sagt. Die Jungen wachsen auch heran - Marius nicht zu vergessen. Er hat keine militärische Ausbildung, aber eine sehr gute Erziehung.«
»Eine terranische Erziehung«, stellte Hastur trocken fest.
Regis meinte: »Wissen ist Wissen, Großvater.« Ihm fiel ein, was er im Rat gedacht hatte: Es sei vielleicht sinnvoller, Mikhail bei den Terranern ausbilden zu lassen, als ihn zur Erlernung militärischer Disziplin und zu Schwertübungen unter die Kadetten zu stecken. »Marius ist intelligent… «
»Und hat ein paar unerfreuliche terranische Freunde«, unterbrach Javanne verächtlich. »Hätte er sich nicht mit den Terranern eingelassen, dann hätte er heute im Rat nicht diese ganze Sharra-Angelegenheit aufs Tapet gebracht!«
»Und dann wüssten wir nicht, was vorgeht«, stellte Regis fest. »Wenn sich ein Wolf auf der Weide herumtreibt, kümmert es uns dann, ob der Hirte um seinen Nachtschlaf kommt? Und wessen Schuld ist es, dass Marius nicht zu den Kadetten gekommen ist? Ich bin überzeugt, er hätte sich dort ebenso gut gehalten wie ich. Wir entschlossen uns, ihn zu den Terranern zu schicken, und ich fürchte, jetzt müssen wir mit dem leben, was wir aus ihm gemacht haben. Wir haben dafür gesorgt, dass zumindest eine Domäne mit den Terranern verbündet bleibt!«
»Die Altons sind immer zu sehr geneigt gewesen, sich mit den Terranern abzugeben«, sagte Hastur. »Seit der Zeit, als Andrew Carr in diese Domäne einheiratete… «
»Geschehen ist geschehen«, meinte Gabriel. »Es lohnt sich nicht, es noch einmal durchzukauen, Sir. Ich habe keine Anzeichen bemerkt, dass Lew bei den Terranern zu glücklich gewesen ist, um die Altons gut regieren zu können… «
»Du benimmst dich, als solle er Oberhaupt der Domäne werden«, rügte Hastur.
Gabriel legte seinen Löffel hin, wobei Suppe auf das Tischtuch floss. »Sieh mal, Großvater. Ich konnte wohl Anspruch auf die Domäne erheben, solange wir nicht wussten, ob Lew tot oder lebendig war. Aber der Rat hat ihn als Kennards Erben anerkannt, und damit hat sich die Sache jetzt. Er als Oberhaupt der Domäne muss bestimmen, was wegen Marius geschehen soll - ich vermute, dass er ihn zum Erben ernennen wird. Wäre es Jeff Kerwin, würde ich vielleicht Einspruch erheben. Er will die Domäne gar nicht, er ist nicht dazu erzogen worden… «
»Ein Terraner?«, fragte Javanne fassungslos.
»Jeff ist kein Terraner. Ich sollte ihn Dom Damon nennen - er hat überhaupt kein terranisches Blut. Er wurde auf Terra in dem Glauben erzogen, er sei Terraner, und er trägt den Namen seines terranischen Pflegevaters, das ist alles«, erklärte Gabriel
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