Darkover 21 - Sharras Exil
vergangenes Glück… Jeffs Arm um meine Schultern verriet mir, dass er den Platz von einst erblickte, und ich entzog mich ihm. Ich erinnerte mich, dass er verheiratet gewesen und seine Frau seit langem tot war. Auch er hatte einen geliebten Menschen verloren…
Aber Marius war schon auf den Stufen und rief so aufgeregt, als sei er noch ein kleiner Junge:
»Andres! Andres!« Und einen Augenblick später starrte mich der alte Coridom aus Armida, Freund, Lehrer, Pflegevater, erstaunt an und hieß mich willkommen.
»Der junge Lew! Ich… « Er sah mein narbenbedecktes Gesicht, die fehlende Hand und brach vor Schreck und Kummer ab. Er schluckte, und dann stieß er rau hervor: »Ich freue mich, dass du wieder da bist.« Er kam und nahm mir meinen Mantel ab, und der Klaps, den er mir auf die Schulter gab, sprach von Zuneigung und Trauer. Ich nehme an, Marius hatte ihm wegen Vater eine Nachricht zukommen lassen. Verständnisvoll stellte Andres keine Fragen; er sagte nur: »Ich habe die Haushälterin beauftragt, ein Zimmer für dich fertig zu machen. Wünscht Ihr auch eins, Sir?«, wandte er sich an Jeff, der den Kopf schüttelte.
»Danke, aber ich werde anderswo erwartet - ich bin als Lord Ardais’ Gast hier, und ich glaube nicht, dass Lew in der Verfassung ist, heute Abend noch eine lange Familienkonferenz abzuhalten.« Er fragte mich: »Du gestattest?«, und hob seine Hand in der Geste des Überwachers zu meiner Stirn, die Finger mindestens drei Zoll von mir entfernt. Dann bewegte er die Hand über meinen Kopf, an meinem ganzen Körper entlang. Die Berührung war mir so vertraut, sie erinnerte mich so sehr an die Jahre in Arilinn - den einzigen Ort, an dem ich jemals völlig glücklich, völlig im Frieden mit mir selbst gewesen war -, dass sich meine Augen mit Tränen füllten.
Nichts anderes wünschte ich mir als… zurückzukehren nach Arilinn. Und dazu war es für immer zu spät. Mit der Hölle in meinem Gehirn, die es nicht ertrug, dass man in sie hineinblickte, mit der von Sharra befleckten Matrix… nein, man würde mich in keinem Turm mehr aufnehmen .
Jeffs Hand lag fest unter meinem Arm; er drückte mich in einen Sessel. Durch die abklingenden Drogen, die meine Selbstbeherrschung zerstört hatten, spürte ich seine Besorgtheit und Andres’ Schock über meinen Zustand. Ich drehte ihnen das Gesicht zu, ballte meine Hand zur Faust, fühlte den Phantomschmerz, als ich versuchte, auch die fehlende Hand zu ballen. Ich wollte sie wütend anschreien und war mir bewusst, dass sie sich alle um mich sorgten, dass sie meinen Schmerz und meine Verzweiflung teilten.
»Halt still, ich bin mit dem Überwachen noch nicht fertig.« Dann erklärte Jeff: »Körperlich fehlt ihm nichts, abgesehen von Erschöpfung und den Nachwirkungen der verdammten Drogen, die die Terraner ihm gegeben haben. Ihr habt wohl keins der üblichen Gegenmittel zur Hand, Andres?« Der alte Mann schüttelte den Kopf, und Jeff stellte trocken fest: »Na ja, so etwas kann man auch nicht in einer Apotheke oder am Stand eines Kräutermanns kaufen. Aber du brauchst Schlaf, Lew. Wenn doch nur etwas Raivannin im Haus wäre… «
Raivannin ist eine der Drogen, die für die Arbeit der Turmkreise entwickelt worden ist, bei der Telepathen ihre Gedanken vereinigen… Es gibt andere: Kirian vermindert den Widerstand gegen telepathischen Kontakt und wird wohl am häufigsten angewandt. Die Wirkung von Raivannin ist der von Kirian beinahe entgegengesetzt. Es schaltet die telepathischen Funktionen aus. Sie hatten es mir in Arilinn gegeben, um die Qual und das Entsetzen, das ich nach Marjories Tod ausstrahlte, ein bisschen zu dämpfen… so weit auszublenden, dass die Mitglieder des Turmkreises nicht jeden Augenblick der Folter mit mir zu teilen brauchten. Für gewöhnlich wird es einem Menschen an der Schwelle des Todes oder der Auflösung oder einem Wahnsinnigen gegeben, damit er nicht alle anderen in seine Qualen hineinzieht…
»Nein«, sagte Jeff voller Mitgefühl, »das meine ich nicht. Ich glaube, Raivannin könnte dir helfen, heute Nacht gut zu schlafen, das ist alles. Ich frage mich… Es gibt lizenzierte Matrix-Mechaniker in der Stadt, und sie wissen, wer ich bin: Erster in Arilinn. Ich werde die Droge ohne Schwierigkeiten kaufen können.«
»Beschreibt mir, wohin ich gehen soll«, sagte ein junger Mann, der schnell ins Zimmer trat, »und ich werde sie holen; ich bin vielen von ihnen bekannt. Sie wissen, dass ich
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