Darkover 21 - Sharras Exil
gemacht, seine Gefühle zu analysieren. Jetzt fasste ihn etwas Kaltes bei der Kehle, das Fleisch zuckte ihm auf den Knochen, jedes Haar seines Körpers stellte sich langsam aufrecht, zuerst an seinen Unterarmen, dann überall. Regis wusste nicht, woher ihm die Überzeugung kam, dass er auf einen sehr alten Feind seiner Rasse und seiner Kaste blickte. Etwas in seinem Körper, zelltief, knochentief, erkannte ihn. Übelkeit schüttelte ihn, und er hatte den sauren Geschmack des Entsetzens im Mund.
Verwirrt dachte er: Aber Sharra ist doch von dem Schmiedevolk benutzt und in Ketten gelegt worden! Bestimmt erinnere ich mich nur an die Zerstörung, als Sharra loskam, an die in Flammen aufgehende Stadt… das ist nicht schlimmer als ein Waldbrand - aber es war schlimmer, es war etwas, das er nicht begreifen konnte, das sich mühte, ihn in sich hineinzuziehen… Erkennen, Furcht, eine fast sexuelle Faszination…
»Aaahh… « Ein entsetztes Aufstöhnen. Er hörte, sah, fühlte Javannes Gedanken, die sich vor Angst verknäulten. Sie griff nach der Matrix unter ihrem Halsausschnitt, als habe sie sie verbrannt, und Regis riss seine Gedanken und seine Augen mit gewaltiger Kraftanstrengung von dem aus seiner Matrix hervorflammenden Feuerbild los. Aber Javanne versank in Grausen und Faszination…
Ein Etwas in Regis, das lange geschlafen, an das er nie gedacht hatte, erwachte. Es war, als nehme ein geübter Schwertkämpfer das Heft in die Hand, ohne zu wissen, welche Bewegungen er vollführen, welchen Streichen er begegnen wird, aber voller Sicherheit, dass er seinem Gegner gewachsen ist. Regis spürte, wie das Etwas sich erhob und das, was er als Nächstes tat, kontrollierte. Er fasste in die Tiefen des Feuers, entflocht behutsam Javannes Geist, tat es so präzise, dass er das Feuerbild nicht einmal berührte… Wie eine Marionette, deren Fäden zerschnitten worden sind, sank Javanne ohnmächtig auf ihrem Sitz zusammen. Gabriel fing sie mit finsterem Gesicht auf.
»Was hast du getan?«, fragte er. »Was hast du ihr angetan?«
Javanne, halb bei Bewusstsein, blinzelte. Vorsichtig wickelte Regis seine Matrix wieder ein. Er sagte: »Sie ist auch dir gefährlich, Javanne. Komm ihr nicht wieder nahe.«
Danvan Hastur hatte bestürzt beobachtet, wie sein Enkel und seine Enkelin gelähmt vor Entsetzen starrten und sich dann zurückzogen. Durch Regis’ müden Geist zog der Gedanke, dass sein Großvater wenig Laran besaß. Regis selbst verstand nicht, was er getan hatte, er wusste nur, dass er bis ins Mark erschüttert, erschöpft und so müde war, als habe er drei Tage und drei Nächte lang gegen einen Waldbrand angekämpft. Geistesabwesend griff er nach einem Teller mit warmen Brötchen, strich sich dick Honig auf eins und schlang es hinunter. Er spürte, wie der Zucker ihm neue Kraft gab.
»Das war Sharra«, flüsterte Javanne. »Aber was hast du getan?«
Und Regis murmelte: »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
Lew Altons Erzählung
4
Ich weiß nicht, wie ich aus der Kristallkammer hinausgekommen bin. Ich habe den Eindruck, dass Jeff mich halb trug, als die Sitzung in Uneinigkeit vertagt wurde. Aber das Nächste, an das ich mich deutlich erinnere, ist, dass ich mich im Freien befand und dass Marius und Jeff bei mir waren. Ich richtete mich auf.
»Wohin gehen wir?«
»Nach Hause«, sagte Marius. »In das Alton-Stadthaus. Ich dachte mir, du würdest nicht gern in den Alton-Räumen der Burg bleiben, und ich bin seit Vaters Abreise nie mehr dort gewesen. Ich habe mit Andres und einem oder zwei Hausbesorgern im Stadthaus gewohnt.«
Ich erinnerte mich nicht, seit meiner frühesten Kindheit im Stadthaus gewesen zu sein. Es wurde dunkel; dünner kalter Regen stach mir ins Gesicht, klärte meine Gedanken. Aber Bruchstücke unzusammenhängender Gedanken, die von Vorübergehenden stammten, lärmten darin, und dazu kam der alte, beharrliche Trommelwirbel:
… letzter Befehl… kehre zurück, kämpfe für deines Bruders Rechte… Würde ich niemals frei davon werden? Ungeduldig versuchte ich, den Aufruhr unter Kontrolle zu bekommen. Wir überquerten den offenen Platz. Doch ich sah ihn nicht, wie er war, dunkel und still mit einem einzigen Licht irgendwo im Hintergrund, dem Nachtlicht eines Dieners, sondern ich sah ihn durch die Augen von jemand anders, lebendig, voll Licht und Wärme, die sich aus offenen Türen und leuchtenden Fenstern ergossen, Gesellschaft und Liebe und
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