Darkover 22 - Die Weltenzerstoerer
draußen eine verdammt große Welt, und offenbar ist sie daran gewöhnt, wegzulaufen und sich zu verstecken.«
Eine meines Volkes ein Flüchtling!
Kerals Gedanke war fast zu greifen, und Regis fühlte den unbestimmten Wunsch, ihn zu trösten, doch er wußte nicht, wie. Er sah David wortlos nach Kerals Hand fassen, und der Anblick machte ihn ein bißchen traurig. Ihm war, als habe er etwas Kostbares verloren, von dem er nie gewußt hatte, daß er es besaß, bis es für immer außerhalb seiner Reichweite war.
Er schüttelte den Kopf und verscheuchte den Gedanken. Albernheiten! Dann atmete er auf. Bald war Linnea hier. Das mochte die Sache mit Melora noch mehr komplizieren (ganz bestimmt würde sie sich einreden, Linnea sei auf Regis’ persönlichen Wunsch gekommen),- aber das war ihm einfach gleichgültig.
Keral erklärte zu aller Überraschung: »Ich habe noch nie ein neugeborenes menschliches Kind gesehen. Darf ich mit dir kommen und deinen Sohn sehen, Regis?«
»Natürlich, ich zeige meine Kinder immer gern her«, antwortete Regis. David entschloß sich, sie zu begleiten, und so gingen sie durch die Korridore des Krankenhauses. Das hochgewachsene, schlanke Chieri zog immer noch neugierige Blicke auf sich. Aber hier im Krankenhaus des HQ war die Neugier freundlich. Viele hatten Keral inzwischen gesehen und mit ihm gesprochen, und er war weiter nichts als ein fremdes Lebewesen, keine Sensation.
Melora lag im Privatzimmer eines Eckflügels. Der Raum wurde oft für wichtige darkovanische Gast-Patienten benutzt. Sein Fenster ging auf die Berge hinaus. Einer darkovanischen Hebamme und einer Pflegerin von Meloras eigenen Gütern war gestattet worden, sie zu betreuen. Melora saß in einem Sessel, gekleidet in ein langes, wolliges blaues Gewand, und ihre Wangen waren leicht gerötet. Sie war ein hübsches Mädchen, groß und von stolzer Anmut, mit kastanienbraunem Haar und grauen Augen. Gerade jetzt sah sie mit ihren über die Schultern fallenden Zöpfen selbst kaum älter als ein Kind aus. Regis’ Augen richteten sich schnell mit der alten Angst auf das verhängte Bettchen, in dem das Baby lag (nicht mehr als ein kleines rotes Gesicht, das in einer weißen Krankenhausdecke schlief), aber dann wandte er seine Aufmerksamkeit sofort Melora zu. Er winkte ihr, sitzenzubleiben, beugte sich nieder und küßte sie auf die Wange. »Er ist wunderschön, Melora. Ich danke dir. Wenn ich es gewußt hätte, wäre ich hier bei dir gewesen.«
»Du hättest nichts tun können, und es ist sehr gut für mich gesorgt worden«, antwortete das Mädchen kühl und wandte die Wange von seinem Kuß ab. Der Raum war voll von Spannung; die drei, die ihr gegenüberstanden, alles Telepathen von größerer oder geringerer Kraft, spürten ihren Zorn. Regis erkannte plötzlich, daß er die anderen beiden aus Feigheit mitgenommen hatte, weil er hoffte, Melora werde in Anwesenheit von Außenseitern keine Szene machen. Es hatte sie gequält, daß sie ihr Kind an diesem fremden Ort gebären mußte, sie wußte nicht einmal, warum Regis es von ihr verlangt hatte, und sie hatte das Recht (sagte sich Regis), ihm ungehindert von Dritten eine Szene zu machen.
Keral sorgte für eine kleine Ablenkung, indem er zu dem Baby hinüberging und sich über das Bettchen beugte. Melora schrie leise auf, doch sie entspannte sich, als Keral die schönen Augen auf sie richtete. Ja, sie lächelte das Chieri sogar an und sagte: »Nehmt ihn nur auf, wenn Ihr möchtet, Edler; Ihr erweist uns Gnade.«
Keral hob das Kind hoch. Seine langen Hände glitten geschickt um den kleinen Körper, als sei er daran gewöhnt, mit Kindern umzugehen. Aber David, der ihn beobachtete, war überzeugt - obwohl er nicht wußte, woher ihm dies Wissen kam -, daß Keral noch nie zuvor ein Neugeborenes gesehen oder berührt hatte. Keral lächelte fasziniert. »Seine Gedanken sind seltsam und formlos. Und trotzdem, welch ein Unterschied zu einem kleinen Tier!«
Bei sich dachte David, das Baby sehe wie jedes andere neugeborene Lebewesen aus, klein und nichtssagend. Er wußte aber auch, daß diese Einstellung auf dem absichtlich kultivierten Zynismus des Mediziners beruhte. Für einen Augenblick versuchte er, das Kind durch Kerals Augen zu sehen, ein kleines Wunder, ein Mirakel der Neuheit. Es belastete ihn zu sehr; er löste den Kontakt und erkundigte sich bei Regis: »Wie willst du ihn nennen?«
»Das ist Meloras Recht.« Regis lächelte die junge
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