Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
vierzig oder fünfzig Jahre ohne ihn weiterleben. Sie dachte nicht gern an diese Möglichkeit, aber sie konnte nicht anders. Und falls der schlimmste Fall eintrat, würde sic h Gisela gewiss darum kümmern, dass ihre Kinder versorgt waren.
23
Marguerida ärgerte sich über das langsame Tempo des Trauerzugs. Sie musste ihre ganze Willenskraft und lebenslange Disziplin aufbieten, um ihre Ungeduld zu bezähmen. Sie waren seit Tagesanbruch unterwegs, und sie wollte nur so schnell wie möglich in das Dorf kommen, wo sich Domenic aufhielt, und ihren geliebten Sohn in Sicherheit sehen.
Es war jedoch ausgeschlossen, das Gefolge zu mehr Eile anzutreiben. Hinter ihr fuhren fünfundzwanzig Wagen und ebenso viele Kutschen, gesäumt von rund dreihundert Reitern. Sie war nur dankbar dafür, dass sie auf Dyania saß und ein Pferd unter sich spürte, anstatt wie Dom Gabriel und einige andere in einem der Fahrzeuge eingepfercht zu sein. Das hätte sie nicht ausgehalten.
Sie waren im Morgengrauen von Thendara aufgebrochen und auf der alten Nordstraße aus der Stadt geritten, vorbei an Wiesen, über die Herbstnebel trieben. Es war unheimlich still gewesen, und die sanfte Hügellandschaft ringsum, die man durch den Dunstschleier kaum sah, lag wie ausgestorben da.
Das hatte allgemein an den ohnehin strapazierten Nerven gezerrt, und als die Sonne aufging und den Nebel wegheizte, spürte Marguerida eine gewisse Erleichterung in ihrer Umgebung.
Sie ritt nun, umringt von zwanzig Gardesoldaten, neben Mikhail her und versuchte angestrengt an etwas anderes als ihren Sohn zu denken. Konnte es sein, dass seit Regis’ Tod tatsächlich erst acht Tage vergangen waren? Sie drehte sich im Sattel um und blickte nach hinten zu dem Sarg, den ein Tuch im Silber und Blau der Familie Hastur bedeckte. Er ruhte auf einem geschlossenen Wagen mit flachem Bett, der von sechs cremefarbenen Pferden gezogen wurde. Etwas an ihren Gefühlen verwirrte sie ein wenig, denn als Diotima, ihre Stiefmutter, damals gestorben war, hatte sie dies fast sofort akzeptieren können. Natürlich hatte sie mit Dios Tod seit Jahren gerechnet, während der von Regis ohne Vorwarnung eingetreten war, aber nach so vielen Tagen hätte sie sich eigentlich wieder im Griff haben müssen. Doch selbst nach Regis’ erstaunlichem Auftritt während der Ratssitzung hatte sie sein plötzliches Ableben noch nicht hinnehmen können. Ihr blieb nur die Hoffnung, dass sie fähig sein würde, ihr Herz auf den Verlust einzustellen, wenn er bei seinen Vorfahren bestattet war.
Die Ratssitzung hatte ihrem Gatten neue Zuversicht verliehen, und er wirkte nicht mehr so zaudernd und zweifelnd wie in den Tagen unmittelbar nach Regis’ Tod. Sie verstand nicht alles, was in seinem Innern vorgegangen war, aber sie erkannte, dass er nun endlich bereit war, Darkover zu führen.
Jetzt mussten sie nur noch den erwarteten Angriff überstehen – falls es sich dabei nicht um einen bloßen Sturm im Wasserglas handelte. Und dann konnte sie hoffentlich für den Rest ihres Lebens im Hintergrund bleiben!
Sie grübelte über ihrem Problem und unterzog sich einer unbarmherzigen Selbstprüfung. Ein Vergleich mit Lady Linnea, die sich stets mit der Rolle der Gemahlin beschieden hatte, führte zu dem Schluss, dass sie diese nicht gut nachahmen konnte. Sie war schlicht ein anderer Mensch, zu selbständig und Mikhail ebenbürtig, was die besonderen Kräfte ihrer Schattenmatrix betraf. Und sie konnte eben nur sie selbst sein, das würden alle zu akzeptieren haben. Der Gedanke belebte sie, während der Wind an der Kapuze ihres Mantels riss.
Marguerida überlegte, was Lew wohl in diesem Augenblick tat. Auf und ab rennen, wahrscheinlich, denn das tat er immer, wenn er ungeduldig war. Würde es einen Angriff auf Burg Comyn geben? Sie hoffte, es gab keinen, wenngleich sie neugierig war, ob der Plan, den sie mit ausgeheckt hatte, funktionieren würde. Sie lächelte. Die erstmalige Zusammenarbeit mit Francisco Ridenow war ein bemerkenswertes Erlebnis gewesen. Er hatte den Kern des Problems sofort erfasst und zu handeln begonnen, als hätte er sich jahrelang auf einen solchen Fall vorbereitet. Was möglicherweise sogar zutraf. Sie hatte sich den jungen Ridenow weder so fantasievoll noch so selbstbewusst vorgestellt.
Nach der Zerstörung der Dämpfer im Kristallsaal hatte sich ein gewisses Maß an durchsickernden Gedanken nicht vermeiden lassen, auch wenn die Situation allen klar war und jeder nach besten Kräften versuchte, seine
Weitere Kostenlose Bücher