Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
Sonne versinkt groß und rot in den tiefen Wäldern. Der Horizont geht in Flammen auf. Und ich beschleunige meinen Gang.
Die Tür des Verlagsgebäudes ist nicht abgeschlossen. Vorraum und Treppenhaus liegen still und verlassen im Halbdunkeln. Ich gehe hinauf. Im Redaktionsraum ebenfalls Stille und der Geruch von Pfeifentabak. Ich gehe den Flur entlang, klopfe gegen Türen und drehe an Knäufen. Auch die Büros sind verlassen. Ich taste mich erneut durchs Treppenhaus. Kurz vor dem Erdgeschoss ein Geräusch. Ich bleibe stehen, lausche. Ein entferntes Stampfen. Einige Stufen später kommt ein Pfeifen dazu und schließlich ein gleichmäßiges Surren. Die Druckmaschinen.
Die Tür zum Keller steht einen Spalt weit offen, dahinter ein schwacher Lichtschein. Ich gehe hinunter. Das Stampfen verstummt. Als ich den Treppenabsatz erreiche, sind auch das Surren und das Pfeifen verklungen. Die Walzen und Zylinder der Druckmaschinen stehen still. Die Luft unter der niedrigen Decke ist heiß und stickig vom Dampf.
»Fast hätte ich mir Sorgen gemacht.«
Mr. Mac Kingsley steht an einer der Walter-Pressen. In der Hand hält er eine lilafarbene Geschenkschachtel.
»Verraten Sie mir, wo Sie den ganzen Tag waren?«, fragt er.
»Bitte entschuldigen Sie, Sir«, sage ich. »Es … es ist etwas dazwischen gekommen.«
Er schließt den Deckel der Schachtel. »Ich warte immer noch auf Ihren Artikel über den St. Helena Park. Ich muss Sie doch hoffentlich nicht daran erinnern, dass morgen Redaktionsschluss für die Erstausgabe ist.«
»Nein, Sir.«
»Dann bin ich ja beruhigt.« Er geht zur Garderobe und nimmt ein Jackett vom Haken. »Konnten Sie in Erfahrung bringen, was mit Terry ist?«
Er sieht mich fragend an, zieht die Augenbrauen hoch. Ich weiß nicht, woran es liegt. Vielleicht an der Art, wie er dasteht zwischen den großen Druckmaschinen; hemdsärmelig, in der einen Hand eine schillernde Geschenkbox, in der anderen ein Jackett. Vielleicht ist es die Überraschung, ihn hier unten anzutreffen, die mich sagen lässt: »Terry geht es gut.« Mr. Mac Kingsley legt die Stirn in Falten, und ich füge hinzu: »Nur eine leichte Erkältung. Er ist etwas fiebrig, aber schon auf dem Weg der Genesung.«
»Das freut mich zu hören«, sagt er. Sein Blick ruht immer noch auf mir. »Gibt es sonst noch etwas, das Sie mir mitteilen wollten?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein. Nichts, was nicht bis Morgen warten könnte.«
»Gut.« Er zieht sein Jackett an. »Wenn Ihr Artikel morgen Mittag nicht auf meinem Schreibtisch liegt, ist die Titelseite weg. Ich hoffe, das ist Ihnen bewusst.«
Ich nicke.
»Ich verlasse mich auf Sie, Samuel.«
Ich nicke noch einmal.
Er geht an mir vorbei. »Schließen Sie ab, wenn Sie gehen«, sagt er.
Und ich schaue ihm nach, bis er in der Dunkelheit verschwunden ist. Die Kellertür fällt ins Schloss, und ich gehe zu der Druckmaschine, an der Mr. Mac Kingsley stand. Ich betrachte die Druckzylinder. Die Auflagen glänzen nass vor Farbe; eine in schwarz, eine in blau, eine in rot, die vierte in gelb. Es sind keine Stereotypien, keine Schriftsätze; es sind Muster. Ich nehme einen Bogen Papier und schiebe ihn unter den Zylindern hindurch. Die Drucke überlappen sich, die Farben verschmieren. Trotzdem erkenne ich augenblicklich das Motiv; die Scheibe, die Sphinx, die absonderlichen Wesen. Es sind die Tarotkarten. Zwei nebeneinander, vier in der Höhe. Ich betrachte den Papierbogen und frage mich, warum ein Zeitungsverleger Tarotkarten druckt. Und dann denke ich an Mr. Gardener. Und einen endlosen Augenblick lang horche ich in mich hinein und frage mich, ob ich wahnsinnig werde, ob ich allmählich den Verstand verliere. Als ich eine Entscheidung getroffen habe, falte ich den Bogen zusammen und stürze die Treppe hinauf. Zehn Sekunden später bin ich auf der Brackett Street und folge der Geschenkbox mit den Tarotkarten und dem hoch gewachsenen Schatten, der sie trägt.
Mit dem Licht versiegt auch die Hitze, die Stadt erwacht aus ihren Fieberträumen. In den Baumkronen verabschieden Vögel den Tag, auf den Bürgersteigen begrüßt man die kühle Abendluft.
Mac Kingsley wirkt zwischen den Spaziergängern wie ein Fremdkörper, ein Überbleibsel des überhitzen Tages. Sein Gang ist schnell, seine Haltung angespannt. Ein-, zweimal erwidert er einen Gruß, ein flüchtiges Kopfnicken im Schein der Gaslaternen – aber er bleibt nicht stehen. Er geht weiter, und ich folge ihm auf der anderen Straßenseite, meide die
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