Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
vorbei, taucht den Körper in grelles Licht, und Terry stößt einen kurzen Schrei aus.
Das Gesicht des Mannes, der vor uns liegt, ist aschfahl. Der Rest von ihm ist rot. In Blut getränkt. Unterhalb des Kinns klafft der Hals auseinander. Wie ein zweiter Mund.
Terry würgt, und der Laternenschein verschwindet.
»Mein Gott! Jemand hat … jemand hat ihm die Kehle durchgeschnitten. Wir müssen die Polizei holen!«, sagt Terry.
»Ja«, sage ich. Meine Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern. Ich versuche, den Toten anzusehen. Es gelingt mir nicht. Ich knie mich hin.
»Was haben Sie vor?«
Der Laternenschein kehrt zurück. Der rote Mund grinst mich an. Ich schließe die Augen und strecke meine Hand aus.
»Was soll das? Samuel, fassen Sie ihn lieber nicht an!«
Meine Hand berührt tote Haut.
»Er ist noch warm«, sage ich und öffne die Augen.
»Was …?«
»Er ist noch warm«, sage ich. »Es ist gerade eben erst passiert.«
Auf der Brust des Toten liegt etwas. Eine Spielkarte. Ich nehme sie an mich. Dieses Mal gelingt es mir, das eingefallene Gesicht zu betrachten.
Ich falle nach hinten, strampele panisch mit den Beinen, schiebe mich durch den Matsch, weg von der Leiche, ich keuche: »Das ist … das ist Mr. Gardener … der alte Mann aus dem Park.«
Die Laterne blendet mich.
»Er wusste davon«, sagt Terry. »Er hat gesehen, was wir gesehen haben und wollte, dass jemand der Sache auf den Grund geht. Ein Reporter.«
»Dann hätte er mir doch einfach davon erzählen können!«
»Hätten Sie ihm geglaubt?«, fragt Terry. Seine Stimme ist leise, fast ein Flüstern. »Er wusste davon. Und deshalb haben die Kostümierten ihn umgebracht.«
Das seltsame Platschen drängt sich in meine Erinnerung, und Terry fragt: »Was ist, wenn sie zurückkommen?«
Die Laterne schwingt hin und her. Panik sprudelt in mir empor.
»Wir müssen hier weg!«, sagt Terry. »Sofort!«
Und dann laufen wir auch schon. Wir hetzen durch die Gänge. Mit jeder Abzweigung scheinen sie schmaler zu werden. Ich höre Schritte hinter mir. Sie holen auf. Plötzlich Dunkelheit, der Laternenschein ist verschwunden. Ich drehe mich um, Terry ist verschwunden.
Ich bleibe stehen, rufe seinen Namen: »Terry? Terry!«
Keine Antwort, nur das Platschen. Das Platschen, die Schritte. Sie kommen näher. Hinter der Abzweigung plötzlich ein Gesicht, es scheint zu leuchten. Ein matt leuchtendes Gesicht mit Augen aus Feuer. Ich blinzele, und es ist verschwunden. Ich laufe weiter, biege nach links, biege nach rechts, hetze durch die Gänge. Dornen zerschneiden meine Hände, meine Unterarme, zerfetzen mein Hemd. Auf einmal der Vorplatz mit dem Teich. Ich stolpere, falle zu Boden, rappele mich wieder auf, stütze mich auf die Knie, versuche, zu Luft zu kommen.
Es ist still, nur mein rasselnder Atem. Die Schritte sind verschwunden. Ich schaue zum Tor. In der Ferne tanzt ein gelber Punkt. Er kommt näher. Ich laufe nach rechts, den Hang hinunter. Hinter dem nächsten Baum werfe ich mich flach auf den Boden. Die Welt vor meinen Augen schrumpft zusammen. Dunkelheit breitet sich aus. Ich rolle mich auf den Rücken, mein Blickfeld weitet sich wieder. Ich höre, wie sie näher kommen. Es sind wenige, vielleicht zwei oder drei. Ich drehe mich auf den Bauch und robbe zur Baumwurzel. Auf dem Vorplatz stehen zwei Männer in Uniform. Polizisten. Sie stehen dort, als würden sie auf etwas warten.
»Wo liegt er?«, fragt der eine und zündet sich eine Pfeife an.
»In der Mitte«, sagt der andere und leuchtet mit der Laterne zum Labyrinth. »Bei der Statue.«
Der Erste nickt und raucht. »Hol schon mal die Kutsche«, sagt er schließlich. »Und dann kommst du nach, hörst du? Ich trag den nicht schon wieder alleine.«
»Ja, ja, mach ich«, sagt der andere.
»Das sagst du jedes Mal.«
»Keine Sorge, ich fass mit an.«
Er gibt dem Ersten die Laterne. Dann gehen sie: der eine ins Labyrinth, der andere Richtung Tor. Sie gehen ohne Eile, ohne Aufregung. Als wäre nichts geschehen.
Ich laufe über das Kopfsteinpflaster. Die Straßen sind leer. Ich laufe in der Mitte, im grellen Schein der Gaslaternen. Ich denke an Terry. Ich sage mir, es wird ihm schon gut gehen. Wahrscheinlich ist er längst zu Hause. Ich denke daran, dass ich ihn zurückgelassen habe. Ich müsste umkehren, nachsehen. Mit aller Macht verdränge ich den Gedanken. Ich kann nicht zurück. Ich laufe. Und der Schweiß brennt in meinen Augen, tropft von meinem Gesicht.
Ich lege mich angezogen aufs Bett.
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