Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
Waisenhaus aufgewachsen, wäre jetzt alles anders. Aber man kann seine Vergangenheit nicht ändern.
An einem kleinen Strand liegt ein Ruderboot. Ich schiebe es ins Wasser und klettere schwerfällig hinein. Eine Zeitlang liege ich einfach nur da, lasse mich treiben. Die Bilder kehren zurück, und ich trinke weiter. Irgendwann setze ich mich auf und versuche zu rudern. Es geht nicht, ich kann nicht. Am Ende der Bucht sehe ich das offene Meer. Unendlich weit entfernt. Ich schließe die Augen.
Als ich wieder aufwache, ist es bereits dunkel. Ich öffne die letzte Flasche Scotch und versuche, Emily anzurufen. Ich will ihr sagen, dass es mir Leid tut und dass sie glücklich werden soll, dass sie es verdient hätte. Doch das Mobiltelefon entgleitet meinen Händen und fällt ins Wasser.
Ich schaue in die Richtung, in der ich das Meer vermute. Ich werde es nicht schaffen. Nicht heute und auch nicht an einem anderen Tag. Sie werden mich nicht gehen lassen. Ich schaue ins Wasser. Vielleicht muss ich gar nicht so weit. Ich trinke, schnell und gierig wie ein Verdurstender, Whiskey läuft über mein Kinn, dann ist die Flasche leer, und ich sacke in mich zusammen. Ich lehne mich nach vorne. Das Boot gerät ins Wanken. Die Nacht verschwimmt. Ich darf jetzt nicht ohnmächtig werden. Noch nicht. Mit letzter Kraft stoße ich mich ab und gleite ins Wasser.
Es ist wunderbar warm. Ich schwebe. Ich habe keine Angst mehr. Ich fühle mich geborgen. Ich atme aus. Alles wird gut.
Plötzlich packt mich etwas und zieht mich zurück. Mein Körper erwacht aus der Bewusstlosigkeit, meine Lungen schreien. Über mir der Nachthimmel. Ich huste, spucke Wasser. Hände in meinem Gesicht, an meinem Hals. Direkt vor mir ein alter Mann. Seine Arme umschlingen mich, pressen mich an seinen dünnen Körper. Er öffnet den zahnlosen Mund und stößt ein Grunzen hervor. Er wirft den Kopf in den Nacken und bellt. Von allen Seiten kommen Antworten. Schreie der Hyänen. Dann sehe ich sie. Dutzende. Manche schwimmen wie Hunde, andere rudern spastisch mit den Armen. Der Alte verstummt und betrachtet mich aus weißen Augäpfeln.
Sie werden mich nicht gehen lassen.
Mein Schicksal ist ein anderes.
Die verbotene Lichtung
von Hendrik Buchna
Kapitel 7 - Band 2
Es ist Winter.
Das Land ist weiß. Das Land ist kalt.
Das Land ist Schnee.
Der Blick erfriert im klirrenden Frost der Wälder.
Über den Baumkronen ein hoher, weiter Himmel.
Unendlich fern.
Zum Weitergehen fehlt mir die Kraft. Zu tief ist der Schnee. Und zu alt.
Wenn ich vor mir ins Weiß blicke, so sehe ich die Gesichter meiner Freunde darin. In der vergangenen Nacht habe ich den Letzten von ihnen verloren. Ni-Katea.
Er war wie ein Bruder für mich.
Als ich heute Morgen erwachte, war er nicht mehr da. Nur seine Decke lag noch unter dem Baum. Und das Blatt. Dieses böse weiße Blatt mit dem Bild des Knochenmanns. Verflucht sei es. Verflucht sei der, der es brachte … und Ni-Katea mitnahm. Ihn mitnahm, wie all jene vor ihm.
Er, dessen Namen ich nicht kenne und dessen Namen ich fürchte. Der so schnell kommt wie die Dämmerung und so leise schwindet wie der Morgentau. Er folgt uns, seit wir aufgebrochen sind. Vor langer Zeit.
Damals waren wir viele. Nur ich bin noch übrig. Doch meine Kräfte schwinden. Zu lange schon geht die Reise.
Ihren Anfang nahm sie in Gestalt eines unerfahrenen Jungen, der ich einst war, und mit der Hoffnung auf Rettung.
Mein Name ist Lay-Tohan, Sohn von Gonn, vom Stamme der Nashekee.
Nach Rechnung der Engländer, deren Worte nun die unseren sind, beginnt meine Geschichte im Jahr 1749.
Der Winter hielt das Land gefangen, länger schon als je zuvor. Die Alten flüsterten von dunklen Kräften, die den Erdboden unter ewigem Frost zugrunde richten wollten.
Warum nur? Was ist geschehen? So fragten wir Kinder. Wir waren die Einzigen, die fragten.
Das Schweigen war über unser Dorf gekommen, hatte es befallen wie eine schleichende Krankheit. Niemand verlor ein Wort über das, was geschah.
Eines Tages kam eine Fremde zu uns. Ein Mädchen mit sonderbar hellem Haar, das in den Farben des Sonnenlichts strahlte. Ihr Gesicht war von leuchtender Schönheit. Und von großem Ernst.
Sie war in eine dicke Felljacke gehüllt, die über und über mit Schnee verkrustet war. Als sie näher kam, erkannte ich, dass sie eine silbrig glänzende Halskette trug, deren tropfenförmige türkisblaue Steine mich an gefrorene Tränen erinnerten.
Sie kam aus einem Dorf in den Wäldern, das
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