Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
Hause komme, gehe ich sofort in die Küche und versuche, den ›Frozen King‹ von der Wand wegzuziehen. Er lässt sich kein Stück weit bewegen. Ich leuchte mit meiner ›Maglite‹ in die schmalen Schlitze zwischen den Einbauschränken und dem Kühlschrank, doch ich kann nichts erkennen. Ich reiße die Tür auf, ziehe die Abstellflächen samt Inhalt heraus und werfe sie hinter mir auf den Boden. Ich drücke gegen die Rückwand, doch dieses Mal gibt sie nicht nach. Ich drücke mit aller Kraft, dann nehme ich zwei Schritte Anlauf und trete in den Kühlschrank. Die Plastikverkleidung zerbricht, darunter befindet sich matter Stahl. Doch die Wand öffnet sich nicht. Wahrscheinlich ist sie von innen verschlossen.
Ich sammle die Abstellflächen auf und lehne sie schräg gegen die Rückwand, sodass sie umfallen, sollte diese geöffnet werden. Oben drauf lege ich vorsichtig drei leere Whiskeyflaschen. Dann schließe ich die Tür, setze mich mit dem Rücken an die gegenüberliegende Wand und versuche, mich zu beruhigen.
Es dauert nicht lange, bis ich das dumpfe Klirren höre. Ich nehme die Glock aus meinem Schoß und feuere ein volles Magazin in die Kühlschranktür. Glas zerspringt, ein Querschläger trifft meine Küchenuhr. Dann ist es still. Eine Zeit lang betrachte die silberumrandeten Löcher der 9mm-Projektile. Dann stehe ich auf und öffne die Tür. Die Rückwand ist geschlossen. Auch in ihr klaffen mehrere Einschusslöcher. Ich presse meine Fingerspitze durch eine der Öffnungen. Mich berührt etwas Kaltes.
›Ein langer, weißer Finger‹, denke ich.
Dann höre ich das Schmatzen aus der Asservatenkammer. Und ich schreie, und ich laufe.
Ich rase auf dem Highway 1 Richtung Norden. Erst als ich die Stadtgrenze von Porterville hinter mir gelassen habe, höre ich endlich auf zu zittern. Auf Höhe des Shaden Forest zwinge ich mich, langsamer zu fahren, um keinen Unfall zu bauen. Zwei Meilen später wird mir plötzlich schwarz vor Augen. Einfach so. Von der einen Sekunde auf die andere bin ich weg. Als ich wieder zu mir komme, stehe ich an der Ampel Ecke Brackett Street/Congress Street. Der Motor läuft noch. Ich sitze dort und warte darauf, dass es endlich vorbei ist. Dass ich aufwache. Irgendwann staut sich hinter mir der Verkehr, die Fahrer fangen an zu hupen. Ich drücke aufs Gaspedal und versuche es in einer anderen Richtung. Ich denke nicht darüber nach, was passiert ist. Ich kann nicht. Andernfalls würde ich mit Vollgas gegen die nächste Wand fahren.
Eine halbe Stunde später stehe ich wieder an derselben Ampel. Meine Wangen sind nass. Rotz läuft aus meiner Nase. Nach dem vierten Versuch sitze ich auf dem Bürgersteig am Fuße des Hudson Towers. Mein Wagen ist verschwunden.
Gegen Morgen kehre ich zurück in meine Wohnung. Ich weiß nicht, wohin ich sonst soll. Ich weiß noch nicht einmal, ob es einen Unterschied macht, wohin ich gehe.
Auf der Fußmatte liegt eine Tarotkarte – ein Mann mit Stab und Laterne, er steht auf einem Berg, mit dem Rücken zum Betrachter, und schaut auf ein Wolkenmeer. Ich zwinge mich, die Tür zu öffnen. Die Wohnung ist leer, Staubflocken tanzen im Sonnenlicht. Auf dem Anrufbeantworter befindet sich eine Nachricht von einer Peggy Waters.
Sie sei Reporterin der ›Porterville Times‹, sagt sie, und wolle einen Artikel über die Polizei schreiben. Ob ich nicht Interesse hätte.
Ich weiß, was jetzt passieren wird. Ich kenne den Ablauf.
Ich trinke Scotch und gehe an der Bucht entlang. Von den Lagerhäusern zu den Anlegern der Ausflugsschiffe, vorbei an der Mündung des Cale River bis zu den Verladekränen. Die Whiskeyflaschen klimpern, wenn die Plastiktüte gegen mein Bein schlägt. Ich mag das Geräusch. Es hat etwas Vertrautes. Es sagt mir, dass ich noch nicht verrückt bin.
Ich denke an die Tarotkarte und an Peggy Waters mit ihren kranken Fragen. Und ich trinke. Ich denke an Shipman und Dobkins. Und ich trinke. Ich denke an den Schalter, den man umlegen muss, damit ich das Bewusstsein verliere, und wer wohl diesen Schalter betätigt. Und ich trinke. Nur an das weiße, dünne Wesen, das in meinem Kühlschrank hockt und auf mich wartet, denke ich nicht.
Vielleicht wäre alles anders, wenn meine Eltern nicht zwei Wochen nach meiner Geburt bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen wären. Mein Vater fuhr zu schnell in eine Rechtskurve, der Wagen geriet in den Gegenverkehr und kollidierte mit einem Sattelschlepper. Sie waren sofort tot. Wäre ich nicht in einem
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